Ein Drittel aller bäuerlichen Betriebe in Tirol ist als Direktvermarkter aktiv. Rund 1.500 bäuerliche Familien verkaufen ihre Produkte regelmäßig direkt zum Endkunden und erzielen ihr Haupteinkommen aus der Direktvermarktung. Die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln stieg im Zuge der Pandemie rasant an. Der Ab-Hof-Verkauf sowie Bauernläden, Bauernmärkte und bäuerliche Zustellservices hatten regen Zulauf. „Aber die Direktvermarktung stellt hohe Anforderungen an die bäuerlichen Familien und ist vielfach mit erheblichen Investitionen verbunden. Der Landeskulturfonds unterstützt hier mit Investitionskrediten und leistet einen Beitrag dazu, dass immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten direkt beim Bauern kaufen oder etwa Gastrobetriebe und öffentliche Küchen ohne Zwischenhändler direkt beliefert werden. Damit bleibt die Wertschöpfung auf den bäuerlichen Betrieben und die Transportwege kurz“, erklärt LHStv. Josef Geisler.
Für die Tiroler Landwirtschaft und insbesondere auch für die Direktvermarktung eine besondere Rolle spielt das Tierwohl. Rund 40 besonders tierfreundliche Rinderstallbauten und weitere knapp 15 Ställe für Hühner, Ziegen, Lämmer und zur Stutenmilchproduktion wurden 2020 mit zinsgünstigen Krediten vom Landeskulturfonds unterstützt. Zehn Betriebe haben bauliche Investitionen für die Veredelung und Vermarktung von Lebensmitteln investiert. „Nirgendwo ist der Kontakt zwischen Produzierenden und Konsumierenden unmittelbarer als in der Direktvermarktung“, so Geisler.
Den Weg der Direktvermarktung hat auch die Familie Kranebitter vom Michelerhof in Mieming beschritten. Nach dem Stallneubau 2008 wurde mit der Direktvermarktung durchgestartet. Heute wird die gesamte Milch von 45 Kühen am Betrieb verarbeitet. Die Milch und Milchprodukte werden an Hofläden, Bäckereien, Metzgereien, Altersheime, Schulen und die Gastronomie sowie an private Abnehmer ausgeliefert. „Vor allem der Einstieg in die Direktvermarktung war mit einer beträchtlichen Investiton verbunden“, erinnern sich Bettina und Benjamin Kranebitter. Und auch die Arbeitsintensität ist hoch. Der Tag beginnt oft schon um drei Uhr nachts mit dem Ausliefern. Dann werden 100 Stück Vieh versorgt und die Milch zu den verschiedensten Frische-Produkten verarbeitet. Möglich ist das, weil die ganze Familie – angefangen von den Eltern, aber auch die in der Nähe lebenden Geschwister – mithilft. Der Michelerhof ist auch Arbeitgeber und beschäftigt eine Voll- und zwei Teilzeitkräfte. „Wir wollen Regionalität und Nachhaltig leben und haben uns deshalb für diesen Weg entschieden“, stehen die Kranebitters voll und ganz zur Direktvermarktung. Mit der Installation eine Photovoltaik- und einer Solaranlage wurde am Michelerhof bei der Energieversorgung schon 2013 ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gemacht.
Seit dem Frühjahr gibt es beim Landeskulturfonds, der heuer sein 70-jähriges Bestandsjubiläum feiert, ein neues Kreditprogramm zur Finanzierung von gebäude- und dachintegrierten Photovoltaikanlagen. „Der aktuelle Bericht des Weltklimarates zeigt einmal mehr die Dringlichkeit der Energiewende auf. Damit wir in Tirol den Ausstieg aus Öl und Gas schaffen und energieautonom werden, müssen wir die Energieproduktion aus Photovoltaik in Tirol in den nächsten zehn Jahren um das Siebenfache und bis 2050 um das 40-Fache steigern“, weiß Geisler. Die Landwirtschaft verfüge über große Dachflächen. „Die müssen wir unbedingt nützen.“
„Mit den neuen Kreditprogrammen des Landeskulturfonds unterstützen wir in Reaktion auf den Klimawandel ressourcenschonende Investitionen zur Erreichung der Energieautonomie 2050, aber auch die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel“, führt Thomas Danzl, Geschäftsführer des Landeskulturfonds aus. Nicht nur für PV-Anlagen, auch für die Reaktivierung oder den Neubau von überbetrieblichen Bewässerungsanlagen gibt es Finanzierungsmodelle. Danzl rechnet angesichts der Klimaveränderung und des steigenden Bewusstseins für nachhaltig erzeugte Energie in den kommenden Jahren mit einer erheblichen Nachfrage nach den neuen Kreditprogrammen. Finanzierungshilfen gibt es auch für den Kauf von landwirtschaftlichen Flächen. „Nicht nur Baugrund ist teuer. Speziell in der Inntalfurche haben auch die landwirtschaftlichen Nutzflächen extrem hohe Preise. Die Aufstockung eines bestehenden Betriebs oder gar der Einstieg in die Landwirtschaft sind ein enormer Kraftakt, den wir seitens des Landeskulturfonds unterstützen“, sagt Danzl.
Das abgelaufene Geschäftsjahr 2020 verlief für den Landeskulturfonds insgesamt zufriedenstellend. Der nicht gewinnorientierte Fonds konnte einen Vermögenszuwachs von 20.000 Euro erzielen. 2020 wurden 115 Kredite mit einer Kreditsumme von 11,5 Millionen Euro vergeben. Das Ausleihvolumen der in Summe 2.200 laufenden Kredite beträgt 130 Millionen Euro. Neben der Kreditvergabe nimmt der Ankauf von Grund und Boden zur Verbesserung der Agrarstruktur und für Maßnahmen im öffentlichen Interesse einen immer größeren Stellenwert ein.
Bild: LHStv. Josef Geisler, Bettina und Benjamin Kranebitter, LKF-GF Thomas Danzl am Michelerhof in Mieming (von links).
Foto: Land Tirol/Entstrasser-Müller