Obwohl die Ernte noch nicht ganz abgeschlossen ist, kann schon ein Fazit über das heurige Jahr gezogen werden. Unterdurchschnittlich kalte Monate haben sich mit überdurchschnittlich warmen Monaten abgewechselt, auch bei den Niederschlägen waren alle Extreme mit dabei. Dennoch zeigt man sich über das Erntejahr 2023 zufrieden.
Der Klimawandel ist auch in Tirol deutlich spürbar. Sich an die ändernden Gegebenheiten anzupassen, ist aktuell eine der größten Herausforderungen für die Bäuerinnen und Bauern. Die einzelnen Sparten stellen sich unterschiedlich darauf ein, wie LK-Präsident Josef Hechenberger schildert: „Wir arbeiten in und mit der Natur, daher sind Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der landwirtschaftlichen Produktion entscheidend. Die heurige Anbauphase hatte zwar ihre Witterungsextreme, in Summe sind wir aber gut durchgekommen und können eine sowohl qualitativ als auch mengenmäßig zufriedenstellende Ernte einbringen. Gerade bei empfindlichen Kulturen ist aber auch klar, dass es mittlerweile nicht mehr ohne Bewässerung bzw. entsprechende Schutzvorrichtungen gegen Hagel geht.“
In einigen Bereichen wird die Anpassung auf „klimafitte“ Sorten auch mit eigenen Programmen unterstützt. Neben dem Forstbereich gibt es beispielsweise auch für das Grünland solche Angebote, wodurch die Bewirtschaftung für die Zukunft gesichert werden soll. „Wir unterstützen die Betriebe in allen Produktionssparten bestmöglich und bieten jeweils Bildungsveranstaltungen sowie Beratungen an, damit sie individuell die geeigneten Maßnahmen ergreifen können“, so Hechenberger.
Problematische Niederschlagsverteilung.
Im Fachbereich Spezialkulturen und Markt sind in der Landwirtschaftskammer Tirol unter anderem Obst, Gemüse und Ackerbau beheimatet. Fachbereichsleiter Wendelin Juen zieht über die unterschiedlichen Sparten eine Gesamtbilanz: „Was wir die letzten Jahre über gesehen haben, ist, dass sich die Vegetationsperiode zwar grundsätzlich verlängert hat, der Saisonbeginn aber trotzdem stark schwankt. Vor allem die frühen Warmphasen bieten für den Anbau nicht nur Chancen, sondern sind durch mögliche Fröste auch mit einem großen Risiko verbunden. Gerade heuer war das zuerst sehr trockene und dann sehr nasse Frühjahr für die Bäuerinnen und Bauern schwierig. Aus unterschiedlichen Gründen haben alle Sparten Ertragseinbußen hinzunehmen. Die guten Qualitäten entschädigen allerdings dafür!“
Die Kulturen im Überblick.
Gemüse.
Die Temperaturen im Frühjahr waren erfreulich warm, durch die geringen Niederschläge im Winter waren die Böden allerdings sehr trocken. Die Saison hat mit der ersten Aussaat bereits Mitte Februar recht gut gestartet, die Temperatureinbrüche und die hohen Niederschlagsmengen im April haben zu größeren Ernteausfällen bei wärmeliebenden Kulturen (Bohnen, Zucchini) geführt. Der Sommer war durchwachsen, einige Hagelereignisse, starke Niederschläge und Überschwemmungen verursachten größere Schäden im Gemüsebau. Die warmen Temperaturen im Herbst mit einem sensationellen September verfrühten die Ernte für das Lagergemüse etwa um 1-2 Wochen. Bis Ende September wurde noch gepflanzt und gesät. Es ist zu erwarten, dass diese Sätze alle noch geerntet werden können. Wie in den letzten Jahren ist auch heuer eine deutliche Verlängerung der Anbausaison zu beobachten. Ei-nen kühlen Herbst mit frühen Herbstfrösten rund um Allerheiligen gibt es seit einigen Jahren nicht mehr.
Obst.
Trotz des sehr milden Winters verzögerte sich der Saisonstart um rund eine Woche. Auch die Ernte startete dadurch später als im Durchschnitt der Jahre. Mehrere Frostnächte während der Obstblüte schädigten insbesondere Steinobstkulturen stark, weshalb die heimische Marillen- und Kirschenernte sehr schwach ausfiel. Ebenso gab es bei Zwetschken im Tiroler Oberland größere Ernteeinbußen. Beim Beerenobst waren Johannisbeeren stärker betroffen. Bei Apfel und Birne gelang es Dank Frostschutz-maßnahmen und einem guten Vorwarnsystem, die Blüten soweit zu schützen, dass rund 70 % einer normalen Ernte gepflückt werden konnte. Das feuchte Frühjahr förderte das Auftreten von Apfelschorf. Aufgrund des etwas geringeren Fruchtbehangs haben sich die Äpfel heuer besonders gut entwickelt. Die Hitze im Sommer verursachte vereinzelte Sonnenbrandschäden und stresste die empfindlichen Himbeerkulturen. Das extrem schöne Herbstwetter mit seinen kühlen Nächten und warmen Tagen ist optimal für erstklassige Fruchtqualitäten. Die Erdbeere, als flächenmäßig wichtigstes Beerenobst, konnte heuer ebenfalls mit guten Erträgen und guten Fruchtqualitäten überzeugen. Der aktuell milde Herbst ermöglicht, eine längere Ernteperiode für Herbsthimbeeren und damit einen versöhnlichen Saisonabschluss.
Getreide.
Die Erträge bei den Winterungen (Wintergerste, Winterweizen, Winterroggen und Triticale – Aussaat erfolgt bereits im Herbst) waren durchwegs im Mittel der letzten Jahre bei rund 4,7 Tonnen je Hektar.
Bei den Sommerungen (Sommergerste, Sommerweizen und Sommerhafer – Anbau erfolgt ab März) konnten Erträge nicht überzeugen und lagen im Mittel um 20% unter den Ertragserwartungen.
Problematisch erwies sich die Witterung in der Zeit um den Getreidedrusch – mehrere trockene Tage hintereinander waren leider die Ausnahme. Somit musste ein Großteil des geernteten Getreides getrocknet werden.
Mais.
Der feuchte Sommer mit eher gedämpften Temperaturen brachten eine reduzierte Stärkeeinlagerung beim Silomais. Somit liegen die Energiegehalte, vor allem jedoch Stärkegehalte unter den Erwartungen. Stürme im Sommer haben einzelne Bestände in der kritischen Phase des Fahnenschiebens geschädigt.
Erdäpfel.
Die Erdäpfelbestände hatten Probleme bei der Entwicklung im eher feuchten April und Mai. Später kam ein hoher Infektionsdruck durch Pilzkrankheiten im Juli/August dazu. Der Einsatz an Fungiziden musste daher in kürzeren Intervallen durchgeführt werden. Hohe Ausfälle werden durch Engerling- und Mäusefraß verzeichnet. Im Oberland sind Ertragsausfälle durch Schädlingsfraß mit rund einem Viertel der Gesamternte zu verzeichnen.
Grünland.
Die Mengenerträge waren gut, vor allem der erste Aufwuchs. Die Folgeaufwüchse konnten da je nach Region und Trockenheit nicht mehr mithalten. Auch der warme Herbst war gut fürs Wachstum und die Ertragsmenge. Durch den nassen Mai und Juli hat sich die Ernte sehr schwierig gestaltet, zum Teil konnte erst sehr spät gemäht werden. Wie sich diese Bedingungen auf die Qualität des Futters auswirken, werden die Futterproben erst noch zeigen.
Titelbild: Um künftigen Wetterkapriolen trotzen zu können, setzt man auf klimafitte Sorten.
Foto: Unsplash/Markus Spiske