Auf den Spuren der Jenischen und seiner eigenen Familiengeschichte wandert Marco Buckovez derzeit durchs Oberland. Dabei macht er in mehreren Orten Station, um seinen „Karren voller Geschichten“ auszupacken. In Telfs stieß er auf riesiges Interesse.
Diskriminierung und Schikanen
Der Saal der Villa Schindler war mit mehr als hundert Zuhörerinnen und Zuhörern bis auf den letzten Platz gefüllt, als Marco Buckovez, selbst Nachkommen der einstigen „Fahrenden“, vom Leben seiner Vorfahren erzählte, das er mit Hilfe des Jenischen Archivs der „Initiative Minderheiten“ recherchiert hat. Zur Auflockerung griff er zur Ziehharmonika und trug jenische Lieder vor. Erfahrungen von Diskriminierung, Ablehnung und behördliche Schikanen zogen sich wie ein roter Faden durch die Geschichten und Anekdoten über die Eltern- und Großelterngeneration der Jenischen. Und auch wenn ihre Nachkommen heute in Tirol nicht mehr mit dem Karren durchs Land ziehen, sondern längst sesshaft geworden und beruflich erfolgreich sind, gibt es die alten Sterotype von den saufenden, raufenden und stehlenden „Karrnern“ immer noch.
„Laninger“ in der Fasnacht
In diesem Zusammenhang sprach Marco Buckovez auch kurz die Fasnachten an, in denen, wie in Telfs, die „Laninger“ auftreten. Er habe nichts gegen dieses alte Brauchtum, sagte der Vortragende, man solle aber dabei nicht vergessen, dass dahinter auch „viel menschliches Leid steht, viel Armut, Tränen und Sorge“. Die Telfer Fasnachtlern der Laninger-Gruppe, die mit einer großen Abordnung zum Vortrag gekommen waren, nahmen diese Anmerkungen interessiert auf.
Selbstbewusstsein
Sehr präsent war an diesem spannenden Abend aber auch die aktuelle Situation der Jenischen, die durchaus von Selbstbewusstsein geprägt ist. Viele Nachfahren der einstigen „Landfahrer“ bekennen sich heute vorbehaltlos zu ihrer Abstammung, die von der vorherigen Generation oft noch verschämt verschwiegen wurde. „Es gibt keinen Grund, sich zu schämen“ unterstrich Marco Buckovez und meinte: „Je mehr wir sind und je lauter diese Stimmen werden, umso weniger können sie uns umgehen. Sagt’s es mit Stolz!“ In diesem Sinn bemühen sich Buckovez und sein Verein „Jenische in Österreich“ um die offizielle Anerkennung als eigene Volksgruppe in Österreich. Denn das wäre „ein Zeichen der Wiedergutmachung“.
„Bin stolz, Jenischer zu sein“
Ein schönes Kompliment bekam der engagierte Aktivist aus dem Publikum vom Mitglied einer Telfer jenischen Familie. Die Wortmeldung endete mit den Sätzen: „Ich bin verdammt stolz, dass ich Jenischer bin und bin stolz darauf, dass du nach Telfs gekommen bist! Danke dafür, Marco!“ Telfs war in früheren Zeiten bekanntlich ein Winterlager und eines der Zentren der „Fahrenden“ im Oberland. Noch heute gibt es in der Marktgemeinde einige Menschen, die Jenisch sprechen.
Viele Unterschriften
Der Abend „Kneisesch? Ein Karren voller Geschichten“ schloss mit viel Applaus und in Hochstimmung. Viele Besucherinnen und Besucher unterschrieben die Petition, die für die Anerkennung der Jenischen als Volksgruppe eintritt. Veranstalter des spannenden Abends waren neben dem Verein Jenische in Österreich, die Initiative Minderheiten Tirol und die Kulturabteilung der Marktgemeinde Telfs.
Auf seinem Fußmarsch durch das Oberland macht Marco Buckovez noch in weiteren Orten Station, nämlich am 6. 9. in Haiming (vormittags, am Vorplatz von Billa), am 8. 9. In Zams (18 Uhr, Riefengebäude), am 10. 9. In Tarrenz (19 Uhr, Heimatmuseum) und am 11. 9. In Nassereith (19 Uhr, Fasnachthaus).
Bild: Marktgemeinde Telfs