Krisen- und Katastrophenmanagement mithilfe von Social Media

An dem Workshop „Lagebilder aus Sozialen Medien“ nahmen VertreterInnen des Landes Tirol sowie weiterer Bundesländer, verschiedener Bundesministerien, Bezirkshauptmannschaften sowie Einsatzorganisationen teil.

© Land Tirol/Pölzl

Krisenszenario Hochwasser: Überflutungen, bedrohte Brücken, Keller voll mit Wasser. Um solche und weitere Herausforderungen bestmöglich bewältigen zu können, benötigen Einsatzorganisationen und zuständige Behörden möglichst genaue Lagebilder über die aktuelle Situation. Diese geben Aufschluss darüber, wo Schutzmaßnahmen zu setzen sind, Hilfe benötigt wird oder Menschen gerettet werden müssen. Erstellt werden solche Lagebilder etwa durch Meldungen der Einsatzkräfte oder auch Luftaufnahmen. Im Rahmen eines neuen, innovativen Ansatzes werden teilweise auch Soziale Netzwerke für die Erstellung von Lagebildern verwendet. In Deutschland sind bei Großeinsätzen – etwa großflächigen Hochwasserszenarien – bereits „Virtual Operations Support-Teams“ (VOST) im Einsatz und unterstützen die Einsatzstäbe mit digital erstellten Lagebildern, welche sich aus Social Media-Posts speisen. „In Krisen müssen Entscheidungen getroffen werden. Das Fundament guter Entscheidungen ist Wissen. Daher sind Lagebilder entscheidend“, ist Tirols Sicherheitslandesrätin Astrid Mair überzeugt.  

Um sich diesen innovativen Ansatz auch für Österreich genauer anzusehen, hat das Tiroler Zentrum für Krisen- und Katastrophenmanagement am Grillhof in Igls kürzlich einen Workshop zum Thema „Lagebilder aus Sozialen Medien“ veranstaltet. Dabei nahmen VertreterInnen des Landes Tirol sowie weiterer Bundesländer, verschiedener Bundesministerien, Bezirkshauptmannschaften sowie Einsatzorganisationen teil.

„VOST-AT“ wird bei Länderkonferenz in Innsbruck diskutiert

„Krisen und Katastrophen werden immer komplexer. Entsprechend müssen auch Lagebilder vielschichtiger werden. Die Sozialen Netzwerke bieten nicht nur die Möglichkeit, im Ernstfall direkt mit der Bevölkerung zu kommunizieren und Warnungen auszusprechen, sondern können auch für die Erstellung von Lagebildern genutzt werden. Mit diesem ersten Workshop haben wir den Anstoß dazu gegeben, auch in Österreich über die Nutzung von Social Media-Kanälen für Lagebilder im Krisenfall nachzudenken. VOST hat sich in Deutschland bereits etabliert – das Team des Technischen Hilfswerks konnte in den vergangenen Jahren bereits über 80 Einsätze im Ernstfall absolvieren und das Potential der digitalen Unterstützungseinheit unter Beweis stellen“, erklärt LRin Mair und fährt fort: „Geht es um modernes und innovatives Krisen- und Katastrophenmanagement ist Tirol ein Vorreiter und hat bereits oftmals seinen Pioniergeist unter Beweis gestellt. Das möchten wir auch in Zukunft bleiben. Im Rahmen der Länderkonferenz der Katastrophenschutzreferentinnen und -referenten der Bundesländer, zu der wir Ende Mai in Innsbruck einladen, möchte ich die Möglichkeit eines ‚VOST-AT‘ mit meinen Kolleginnen und Kollegen weiter diskutieren und über eine mögliche Etablierung in Österreich nachdenken.“

Die Länderkonferenz der Katastrophenschutzreferentinnen findet erstmalig auf Einladung von Sicherheitslandesrätin Mair am 29. Mai 2024 am Bergisel in Innsbruck statt. Im Rahmen der Konferenz beraten die VertreterInnen der Bundesländer über aktuelle Problemstellungen und die jüngsten Entwicklungen im Krisen- und Katastrophenmanagement. „Der bundesländerübergreifende Diskurs erscheint aufgrund der derzeitigen geopolitischen Lage und der zunehmenden Extremwettereignisse wichtiger denn je“, so LRin Mair.

Posts als Basis für Echtzeit-Lagekarten

Die Aufgabe von „Virtual Operations Support-Teams“ ist es, große Datenmengen aus dem Internet auszuwerten. Dazu zählen geteilte Fotos gleichermaßen wie Videos oder auch Texte. „Im Krisenfall werden teilweise tausende Posts von Personen, die sich in unmittelbarer Nähe zum Geschehen befinden, abgegeben. Aus diesen riesigen Datenmengen können wichtige Informationen gewonnen werden: Was passiert gerade, wo passiert es und wird Hilfe benötigt“, erklärt Elmar Rizzoli, Leiter des Tiroler Zentrums für Krisen- und Katastrophenmanagement und führt weiter aus: „Diese Datenmenge muss gesammelt und gesichtet werden. Gleichzeitig müssen die Expertinnen und Experten feststellen, ob es sich um Echt- oder Falschmeldungen handelt. Nach der Verifizierung können die Daten für die Erstellung eines Echtzeit-Lagebilds verwendet werden.“

Funktionsweise in der Praxis

Um die Informationen in Folge als Basis für Entscheidungen nutzen zu können, werden die gewonnenen Daten auf virtuellen Lagekarten eingezeichnet. „Bei einem Hochwasser etwa wird so auf einer Lagekarte ersichtlich, dass in der Nähe einer Brücke viele Posts mit dem Stichwort ‚Verklausung‘ oder ‚Bäume hängen unter Brücke‘ abgegeben werden. Ein Indiz, dass hier Einsatzkräfte benötigt werden“, so Rizzoli. Neben dem Lagebild können Posts in Sozialen Netzwerken zudem über weitere wichtige Entwicklungen Aufschluss geben: So lässt sich aus den Daten oftmals ablesen, welche Ängste in der Bevölkerung bestehen, ob sich Gruppen von Spontanhelfenden bilden, die es zu organisieren gilt, oder ob Falschmeldungen grassieren und eine gezielte Aufklärung nötig ist.

„‚Virtual Operations Support-Teams‘ könnten im Ernstfall eine wichtige Ergänzung unserer etablierten Systeme sein. Auf jeden Fall gilt es, sich im Sinne der Sicherheit mit diesem Potential zu befassen und auszuloten, inwieweit ein solcher Ansatz auch für Österreich und die Bevölkerung von Mehrwert ist“, so LRin Mair abschließend.