Jakob Pfandler: Ausstellung in der Galerie auf Schloss Landeck lässt rätseln
Kunst kann ziemlich spannend sein. Besonders, wenn ihr ein Geheimnis innewohnt. Denn was für ein Mensch Jakob Pfandler war und was aus ihm geworden ist, nachdem er sich 1868 aufgemacht hat nach Amerika, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Vermutungen lassen sich allerdings anstellen, auch ganz persönlicher Natur. Anhand vieler Werke und einiger Briefe, die noch bis 4. September das Zentrum einer Ausstellung in der Galerie auf Schloss Landeck darstellen.
Von Manuel Matt
Vielleicht hatte er ja ein Faible, eine tiefe Bewunderung für die Kunst der Antike. Zumindest sind da viele Zeichnungen von römischen Kaisern, griechischen Helden an den ehrwürdigen Wänden im Schloss Landeck, die Jakob Pfandler wohl anhand stummer Marmorstatuen angefertigt hat, als er um 1850 herum Schüler war an der Königlichen Akademie der bildenden Künste in München. Manche davon zeugen noch zart von einer lernenden Hand, manche aber scheinen bereits aus dem Rahmen heraus auf die Betrachterin, den Betrachter überspringen zu wollen, so lebendig, beinahe schon fotorealistisch, wie sie sind.
Kunst mit Köpfchen: Drei Zeichnungen von Jakob Pfandler
Foto: Matt
Was sie aber allesamt eint, ist, dass sie Jahrhunderte später von seinen Nachfahren entdeckt wurden. Im Keller eines Hauses in der Landecker Fischerstraße, in einer uralten Holztruhe, teils im erbarmenswerten Zustand. Dabei war sie eigentlich nur auf der Suche nach alten Möbelstücken, deren Restaurierung ihre Leidenschaft ist, erzählt Brigitte Thöni, die von ihrem Vater auf diese künstlerisch-historische Schatzkiste aufmerksam gemacht worden war, die zuvor ihrer Tante Anna Elisabeth gehört hatte.
Gerettet, was zu retten war.
Nach langem Überlegen hätten sie gemeinsam den Entschluss gefasst, die Zeichnungen, Skizzen wie auch einige Briefe zu retten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, verrät Josef „Joe“ Thöni, der Gatte von Brigitte, am Tag der Ausstellungseröffnung im Schloss Landeck. Kein leichtes Unterfangen angesichts der feuchten Lagerumstände über die Jahre des Beinahvergessens, die Kunstkundigen wohl die Haare zu Bergen stehen lassen würden. Nicht aber Künstler Kröll und dem kunstkundigen Freund der Familie Thöni, Luis Kolb. Mit ihnen gemeinsam haben Brigitte und Joe zu retten versucht, was noch zu retten ist. Etwa 70 Prozent der Werke hätten sich so für die Nachwelt bewahren lassen, erzählt Kolb, und nur wenige, kaum sichtbare Wasserflecken sind geblieben – neben ein, zwei zarte Falten im Papier. Immerhin zeigten sich viele Bilder beim Öffnen der Truhe eben nicht nur von der Feuchtigkeit gezeichnet, sondern auch zusammengerollt und „ziemlich zammtetscht“, erinnert sich Kolb schmunzelnd. Nach behutsamen Maßnahmen wie Glätten und dem Anbringen der Bilder auf Karton mittels wasserlöslichem Klebstoff kann sich das Ergebnis in diesen, unseren Tagen jedoch wahrlich sehen lassen.
Künstler in Wort und Bild: Links ein Brief vom befreundeten Künstler Lous Stainer, rechts ein (vermutliches) Selbstporträt von Jakob Pfandler
Foto: Matt
Einer, der Künstler werden wollte…
Was aber bleibt von der Biografie ihres Schöpfers, eines vergessenen Künstlers, wie ihn Kolb nennt? Vieles, aber eben auch viel Geheimnis. Fest steht jedenfalls, dass Jakob Pfandler am 24. Oktober 1824 als Sohn von Anton Pfandler Bauer auf dem Bichl und der Genoveva Mark aus Tarrenz geboren wurde: Auf den Höfen, die zu Niedergallmig gehören und somit zur Pfarre Fließ. Über Kindheit und Jugend ist wenig bekannt, sehr wohl aber der Name seiner Schwester Anna Elisabeth, von der Liebe nach Landeck geführt, wo sie die Briefe und Zeichnungen ihres Bruders bewahrte. Wo und von wem Jakob in seinen frühen die Malerei eingeführt wurde, ist ebensowenig überliefert, doch dürfte er entschlossen diesen Weg verfolgt haben: Zunächst gen München, wo er 1849, also im Alter von 25 Jahren, an der polytechnischen Schule für Freihandzeichnen vorgemerkt wurde – als Hospitant, was in etwa einem heutigen Praktikanten entsprechen würde, um sich bereits ein Jahr später als Schüler der Königlichen Akademie der bildenden Künste in der bayrischen Landeshauptstadt wiederzufinden. Aus dieser Zeit dürften wohl die zeichnerischen Hommagen an die Antike stammen. Gewidmet hat sich Jakob Pfandler neben Marien-Darstellungen übrigens auch Aktzeichnungen. Worum’s dabei im Kern geht, hat jedoch ein offensichtlich biederer Jemand zensiert. Oder eher recht unbeholfen überkritzelt.
Ein ziemlicher Kontrast: Realistische Aktstudie und irgendwann nachträglich hinzugefügtes, schon eher laienhaftes Feigenblatt
Foto: Matt
Wie lange Jakob Pfandler in München war, ist nicht bekannt. Nur, dass er sich dort beim ebenfalls aus Fließ stammenden Künstler Josef Knabl einquartiert hat, was Quittungen belegen. 1852 war Pfandler jedenfalls wieder in Zams, in ärztlicher Behandlung von Josef Seifert. Der Juli 1859 führte ihn dann wieder nach München: Offiziell aus Ausbildungszwecken, in Wahrheit dürfte er aber auf der Suche nach Arbeit gewesen sein, wie ein Briefwechsel mit Künstlerkollegen Knabl nahelegt. 1862 taucht sein Name wieder in Fließ auf, als Schöpfer des Hochaltarblattes der Pfarrkirche, wobei er vorher schon an der Dekorierung der Milser Pfarrkirche beteiligt gewesen ist. Ebenso wurde er mit Faßmalereien beauftragt und schuf Votivtafeln, wovon ein Werk im Schlossmuseum hängt. Erhalten sind auch drei Ölgemälde, darunter ein vermutliches Selbstporträt.
…und verschwand.
Eine der bekannten Aufenthaltsorte des Jakob Pfandler war Ried, von wo aus die letzten erhaltenen Briefe mit 1868 datiert sind. Dann allerdings verlaufen seine Spuren allmählich im Sand, legen in diesem oder auch im folgenden Jahr die Auswanderung nach Amerika nahe, einer Aufforderung seines Freundes Lous Stainer folgend, der sich bereits in Cincinnati, Ohio niedergelassen und im Arbeit vermittelt hatte. Doch was der Oberländer dort erlebte, wie es ihm erging, wird wohl immer ein Rätsel bleiben: Nachrichten aus Amerika sind der Nachwelt nicht erhalten geblieben, auch keine Todesnachricht von dort. Vorangegangen vom Dies- ins Jenseits, laut einer Diözesanbeschreibung, dürfte der Künstler im Jahr 1889. Nach einem ganzen, schaffensreichen Leben, das sich in Fragmenten noch erahnen lässt: Dank seiner Nachfahren, viel Hilfsbereitschaft und der sehenswerten Schau auf Schloss Landeck, die noch bis 4. September, täglich von 9 bis 17 Uhr, rätseln lässt.
Titelbild (v.r.): Einblicke in das Bergen und Retten des Pfandler-Vermächtnisses gewährten zum ersten Ausstellungstag der stellvertretende Museumsverein-Obmann Christoph Wachter, Obmann Christian Rudig, Josef „Joe“ Thöni und der kundig-hilfsbereite Freunde der Nachfahrenfamilie, Alois Kolp.
Foto: Matt