Sollen’s doch wirklich Kuchen essen

Der 99. Imster Jazzknödel mit Honeypie

So soll der Satz eigentlich nie gefallen sein. Dabei wäre der überlieferte Kuchen-statt-Brot-Sager von Marie Antoinette erfrischend ehrlich gewesen. Nur fehlte letztlich das Köpfchen – und das dringend notwendige Sozialprogramm sowieso. Als solches versteht sich der Jazzknödel im Imster Gasthof Hirschen: Als monatliches, hochqualitatives Konzertformat, das den Musikschaffenden dahinter auch ein paar Kröten in die Taschen spülen soll. Diesen Monat gibt‘s die 100. Ausgabe – nach einem fantastischen Gastspiel mit Honeypie.

Von Manuel Matt

Wie Honeypie klingt? Nun, für das Oberländer Ohr ein wenig wie Hannibal. Passt aber auch irgendwie, denn was Band und Feldherr eint, ist das Aufbegehren gegen die herrschende Ordnung. Nur sind das im Jazz und artverwandten Genres nicht die Römer, sondern eine Bestie namens Komplexität, die oft nur mehr sich selbst dient. Deshalb nimmt die Honigkuchen-Truppe rund um die Roppener Schlagzeug-Offenbarung Max Schrott das Viecherl an die Leine, lässt es schon noch gallopieren, dann und wann sogar wiehern. Aber mit Maß und Ziel: Damit Platz bleibt für künstlerischen Ausdruck, für die Freude am Groove, der vom Zusammenspiel, vom gegenseitigen Verstehen lebt. Weil nichts bewiesen werden muss, was ohnehin auf der Hand liegt: Dass jeder Teil dieses Ganzen für sich allein eine Größe ist.

Honeypie-Mastermind am Schlagzeug: Max Schrott

OD-Foto: Matt
Von wandernden  Dinos und wundersamen Speisungen.

Sei‘s Max Schrott, der vom noblen Perkussiv-Thron seine Eigenkompositionen und -arrangements bei ihrer Entfaltung begleitet; Flo Hupfauf als weiser Wegweiser am Bass oder Felix Heiss, der mit schwarzen und weißen Piano-Tasten die Stufen in den Himmel zimmert, deren Reeling das gefühlvolle Gitarrenspiel von Christoph Kuntner ist, um das sich allerlei Effekte ranken: Ja, so fein wie da jedes Solo-Löffelchen ist, macht das wahre Honeypie-Geschmackserlebnis der volle Querschnitt-Biss durch alle Schichten aus.

Drei Mann machen zwar noch keine Big Band, können aber durchaus so klingen: Max Glanz (Saxophon, Zirl), Raphael Huber (Querflöte, Hatting) und Xaver Schutti (Trompete, Arzl b. Innsbruck) (v.l.)

OD-Foto: Matt

Besondere Fülle und Charakter haucht dem Küchlein in diesem Sinne speziell die Aerophon-Abteilung ein. Exzellenz mit jedem Atemzug liefert dabei Max Glanz am Tenorsaxophon ab, der sonst Elias Mader an seiner Seite wissen würde. An diesem Donnerstagabend im Gasthof Hirschen verhindert, darf sich Mader aber würdig vertreten wissen – und das gleich zweifach: Von der lieblich-brillanten Querflöte eines Raphael Hubers und Xaver Schutti an der Trompete, der dort derart überragt, wie‘s bei einem Alter von 15 Jahren eigentlich kaum zu glauben ist. Nicht weniger erstaunlich: Der Variantenreichtum der Kompositionen, die locker dahinfließen, aber im Ohr bleiben, Genregrenzen niederreißen und Geschichten erzählen. Bildhaft, ohne auch nur ein Wort zu verlieren: Von Dinosaurieren und ihrer Wüstenwanderung, etwa, oder dem Lachen eines Kindes, das sich im Fenster widerspiegelt. Das alles liefert den umjubelten Beweis, das Kuchen immer besser ist als Brot – und der Jazzknödel ein Erfolgsformat bleibt, das Musik möglich macht und jene, die sie machen, wertschätzt und fair entlohnt. Mit einem treuen, spendablen Publikum und dem beherzten Privatengagement von Peter Reinthaler, Harry Winkler, Bruno Thaler, Henry Wille, Christian Novak und Mirko Schuler. Gemeinsam mit der Wirtsfamilie Staggl laden sie nun zum 100. Streich in elf Jahren effektivster Kulturförderung – mit der JK-Jubiläumsband in zweistelliger Besetzung und unter der Ägide von Musikdirektor Florian Bramböck. Schon sehr bald, an diesem 8. September um 20 Uhr, wo vielleicht doch noch ein Plätzchen frei ist. Deshalb schnell reservieren – per E-Mail an: info@hirschen-imst.at

Geschätzt in vielerlei Formationen, so auch bei Honeypie: Christoph Kuntner (Landeck) als effektvoller Vollblutgitarrist, Piano-Prophet Felix Heiß (Imst) und der Big Papa am Bass, Flo Hupfauf (Innsbruck) (v.l.)

OD-Foto: Matt