Landesräitnnen Fischer und Leja in Oberland DABEI

Tag für Frauengesundheit: Gendermedizin im Fokus

Bis in die 1990er-Jahre hinein waren die Forschungsinhalte der Medizin überwiegend männlich orientiert und Frauen von klinischen Studien systematisch ausgeschlossen. Dabei unterscheiden sich Frauen und Männer auffallend im Gesundheitsverhalten und den Krankheitsverläufen. „Gesundheitliche Chancengerechtigkeit bedeutet, geschlechtsspezifische Aspekte in der medizinischen Forschung, Prävention und Versorgung zu berücksichtigen und damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit aller Geschlechter zu leisten“, betonen Frauenlandesrätin Gabriele Fischer und Gesundheitslandesrätin Annette Leja anlässlich des Internationalen Tages für Frauengesundheit. Der Aktionstag am 28. Mai rückt die körperliche und psychische Gesundheit von Frauen ins Zentrum.

„Frauengesundheit ist eine Querschnittsmaterie: Dazu zählen nicht nur medizinische Aspekte, sondern auch Armutsbekämpfung genauso wie Gewaltschutz und Angehörigenpflege. Sowohl biologische als auch gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse prägen das Geschlecht und wirken sich auf Erkrankungen und medizinische Behandlungen aus. Viele Frauen etwa sind durch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die ungleiche Verteilung von Haus- und Fürsorgearbeiten besonderen Belastungen ausgesetzt. Hier brauchen wir zugeschnittene Präventions- und Versorgungsmaßnahmen“, erklärt LRin Fischer. „Frauen zeigen bei manchen Erkrankungen andere Symptome als Männer und reagieren anders auf medizinische Behandlungen. Die Gendermedizin nimmt sich der Einflussgröße ‚Geschlecht‘ an. Daneben zeigen aber auch Faktoren wie Alter, ökonomische Verhältnisse oder soziale Herkunft eine medizinische Relevanz in Bezug auf Symptome, Diagnosen und Medikamente. Ein bewusster Blick auf das Zusammenspiel von Gesundheitszustand, Geschlecht sowie Arbeits- und Lebensbedingungen in allen medizinischen Fächern trägt zu einer Steigerung der Gesundheit von Frauen bei“, so LRin Leja.

Angebote auf Bedürfnisse von Frauen zuschneiden

Auch im Suchtbereich zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während bei Personen mit Alkoholabhängigkeit, Drogen- und Spielsucht Männer überrepräsentiert sind, werden Schlaf- und Beruhigungsmedikamente häufiger von Frauen eingenommen. Im Tiroler Suchtkonzept 2022-2032 – das vom Land Tirol in Zusammenarbeit mit der Gesundheit Österreich GmbH, dem nationalen Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen, erarbeitet wurde – findet sich daher die Empfehlung, alle Angebote und Strukturen gendersensibel zu gestalten und dabei auch den Transgenderaspekt zu berücksichtigen. Die Einrichtungen der Tiroler Suchtlandschaft sind aufgerufen, geeignete Konzepte zu erstellen und frauenspezifische Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Vom gebrochenen Arm bis zur psychischen Krise: Hilfe in Anspruch nehmen

„Wem es gesundheitlich nicht gut geht, der oder die soll zeitnahe Unterstützung in Anspruch nehmen. Das gilt bei einem gebrochenen Arm genauso wie in einer psychischen Krise“, sind sich die Landesrätinnen einig. Gerade in Bezug auf die psychosoziale Hilfestellung gelte es weiter Barrieren abzubauen. Dazu tragen etwa die Psychosozialen Zentren bei, die bis Juli dieses Jahres an vier Standorten in Tirol ihren Dienst aufnehmen. Als Erst-Anlaufstellen für Menschen mit psychischen Belastungen und deren Angehörige zählen die Situationsanalyse, die Entwicklung von Handlungsstrategien sowie die Weitervermittlung an die individuell passenden Hilfsangebote zu den Kernaufgaben der Zentren. Träger der Zentren sind die drei psychosozialen Einrichtungen pro mente tirol, Psychosozialer Pflegedienst und start pro mente.

Aktionsplan Frauengesundheit

Auf Bundesebene nimmt sich der „Aktionsplan Frauengesundheit“ der Förderung genderspezifischer Aspekte im Gesundheitswesen an. Im Zentrum stehen dabei Chancengerechtigkeit, Stärkung des Selbstbildes von Frauen und psychische Gesundheit. Der jährliche „FrauenGesundheitsDialog“ findet dieses Jahr im Hybridformat am 13. Juni statt und rückt aktuelle Befunde und Entwicklungen für die Gesundheit von Mädchen und Frauen im Kontext kollektiver Krisen und gesamtgesellschaftlicher Innovationen in den Blickpunkt. In den Bundesländern tragen eigens eingerichtete Focal Points zur Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsplanes bei. Für Tirol als Expertin im Focal Point vertreten ist Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender Medizin und Diversität an der Medizinischen Universität Innsbruck, Leiterin des Frauengesundheitszentrums und der Koordinationsstelle Gleichstellung, Frauenförderung und Diversität an der Medizinischen Universität Innsbruck. „Bei der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 wurde formuliert: Frauen haben das Recht auf ein Höchstmaß von physischem, psychischem und sozialem Wohlbefinden und nicht nur auf das Freisein von Krankheit und Behinderung. Das entspricht auch dem Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Gerade die Corona-Zeit hat uns Frauen die Notwendigkeit und Aktualität dieses Spruches wieder vor Augen geführt. Es ist noch viel zu tun. Wir arbeiten daran!“, sagt Hochleitner.

Titelbild: © Land Tirol/Knabl