Tirol als qualitativ hochwertigen und innovativen Wirtschafts- und Gesundheitsstandort weiter konsequent ausbauen – dieses Ziel hat sich die Tiroler Landesregierung auf die Fahnen geschrieben. Im Rahmen der Tiroler Perspektivenwoche informierten Gesundheitslandesrätin Annette Leja und Wirtschaftslandesrat Anton Mattle über geplante und bereits in Umsetzung befindliche Vorhaben. Dabei spielt insbesondere die Forcierung Tirols als Standort von Unternehmen der Life Sciences – also aus den Bereichen Medizintechnik, Pharma, Biotechnologie und Chemie – eine Rolle. Zudem wurden aktuelle medizinische Projekte zur nachhaltigen Behandlung von Corona-Patienten präsentiert, die seitens des Landes gefördert werden.
Tirol ist bereits ein erfolgreicher und international beachteter Standort von Gesundheitsunternehmen. Mit derzeit rund 11.000 Beschäftigten in Wirtschaft und Wissenschaft sowie einem Branchenumsatz von 2,25 Milliarden Euro hat sich der Life Science-Sektor in Tirol in den vergangenen Jahren ausgezeichnet entwickelt. Die Bedeutung des Life Science-Sektors für Tirol zeigt sich auch bei den Exportzahlen: Im Jahr 2019 wurden aus Tirol Waren im Wert von 13,2 Mrd. Euro exportiert – knapp ein Viertel davon entfällt auf den Pharmabereich. Trotz Coronakrise konnten die Ausfuhren im Pharmabereich im ersten Halbjahr 2020 um ein Drittel auf 1,5 Milliarden Euro und jene der chemischen Industrie um ein Viertel auf 42 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesteigert werden.
„Diesen erfolgreichen Weg wollen wir konsequent weitergehen. Tirol soll zu einer Spitzenregion im Bereich Life Sciences weiterentwickelt werden. Deshalb arbeiten Expertinnen und Experten auf Basis einer internationalen Benchmarkstudie über den kommenden Sommer an einem Umsetzungs-Konzept, um dieses Ziel bis 2030 zu erreichen“, betonen Mattle und Leja. Tirol verfüge über ein hervorragendes universitäres Umfeld, international tätige Leitbetriebe und innovative Start-ups. Aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Sektors und der Verknüpfung mit dem Gesundheitsstandort, werde die Tiroler Landesregierung dieses Stärkefeld künftig noch kräftiger unterstützen.
Ein wichtiger Baustein zu Erreichung dieses Ziel wurde mit dem Projekt „Health Hub Tirol“ und der Einrichtung von Knotenpunkten für Wissenschaft und Gesundheitsunternehmen bereits gestartet. Für das Projekt stehen vorerst in Summe 4,5 Millionen Euro zur Verfügung. „Die Health Hubs sollen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass sich weitere Life Science-Unternehmen in Tirol etablieren und entfalten können“, informiert Mattle. Ein „Health Hub“ setzt sich aus den vier Elementen Infrastruktur (Labor- und Büroräumlichkeiten, etc.), Förderung (pro Projekt und für eine maximale Projektdauer von drei Jahren), Services (z. B. Finanzierungsberatung) und Kapital (Zugang zum Investorennetzwerk der Standortagentur und eigener Life Science-Fonds) auseinander.
Der erste Health Hub entsteht in Innsbruck, wo die Firma Angios GmbH von Josef Penninger, Direktor am Life Science Institute der University of British Columbia in Vancouver/Kanada, in der Diabetesforschung tätig sein wird. Ein weiteres Projekt, das in der ersten Ausschreibungsrunde eingereicht wurde, stammt vom Münchner Biotech-Unternehmen Leon-Nanodrugs, das mittels Nanotechnologie die Wasserlöslichkeit von Medikamenten deutlich verbessern will, um trotz geringerer Dosierung die Wirksamkeit eines Medikaments stark zu erhöhen. Die take care for life GmbH in Innsbruck plant zudem die Entwicklung einer innovativen, personalisierten Gesundheitsplattform in Form einer App als Gesundheitscoach, die die Menschen bei einer gesunden Lebensführung unterstützt, etwa mittels Text und Push-Nachrichten sowie Sprachassistenz.
Die Ausschreibungsrunde für weitere Projekte im Rahmen des „Health Hub Tirol“ ist in Vorbereitung und startet im September 2021.
Ein wichtiges Element bei der Entfaltung von neuen, innovativen Unternehmen ist Kapital. Im Sommer 2021 soll deshalb ein Life Sciences Fund gegründet werden, der in insgesamt zwölf bis 15 Firmen investieren soll. Sitz der Managementgesellschaft soll Tirol sein, um die Nähe zu dem neuen Health Hub Tirol optimal zu nutzen. Das Initiatorennetzwerk zum Life Science Fund besteht aus 10 Personen mit tiefgreifenden und internationalen Erfahrungen in den Bereichen Life Sciences.
Durch die gezielte Verbindung zwischen München, Bayern und Tirol, den Investorennetzwerken aus Deutschland und Österreich, den attraktiven Fördermöglichkeiten durch den „Health Hub Tirol“ und durch die tiefgreifende Expertise in den Bereichen Health, Pharma und Life Sciences auf Seiten der Initiatoren könne der erste Fund in Österreich mit Schwerpunkt Life Sciences in dieser Form aufgebaut werden, sagt Mattle. Die Zielsetzung ist es, Investitionen in der DACH-Region zu realisieren – primär in Österreich und Tirol. „Ein besonderer Schwerpunkt sollen Firmen in Tirol sein, die unter anderem an einem ‚Health Hub‘ ansässig sind. Darüber hinaus sollen interessante Zielfirmen aus Deutschland und vor allem aus dem Raum Bayern nach Tirol geholt werden, um die attraktiven Förder- und Standortvorteile zu nutzen und die Region weiter zu stärken“, erklärt Mattle.
Das Land Tirol will die Möglichkeiten der Digitalisierung im medizinischen Bereich verstärkt nutzbar machen, etwa in der Gesundheitsvorsorge. Im Rahmen der Konjunkturoffensive 2020/21 fördert das Land ein telemedizinisches Projekt der Medizinische Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Integrierte Versorgung Tirol (LIV) mit 900.000 Euro, das derzeit Covid-Patienten in Heimquarantäne begleitet. Die Telemedizin ermöglicht es, frühzeitig auf Verschlechterungen der Erkrankung – im speziellen der Atemsituation – reagieren zu können. Schwere Verläufe sollen durch ein telemedizinisches Monitoring und das schnelle Reagieren auf eintretende Veränderungen des Gesundheitszustandes vermindert werden. „Damit werden die Patienten nicht nur bestmöglich versorgt, sondern können auch in den eigenen vier Wänden verbleiben. Zusätzlicher Stress wird vermieden und die Krankenhausstrukturen, insbesondere die Intensivstationen, werden entlastet“, führt Leja aus. Die technologische Basis des Projekts bildet das Telegesundheits-Informationssystem des Austrian Institute of Technology (AIT), das schon seit vielen Jahren zur Betreuung von Herzinsuffizienz-Patienten im Programm HerzMobil Tirol im Regelbetrieb verwendet wird.
Aktuelle Studien haben gezeigt, dass viele an COVID-19 erkrankte Patienten auch nach durchgemachter Erkrankung anhaltend an Symptomen leiden. Die Medizinische Universität Innsbruck entwickelt aktuell in Kooperation mit dem Landesinstitut für Integrierte Versorgung Tirol (LIV) ein Konzept zur Versorgung von „Long-Covid-Patienten“.
„Im Wesentlichen geht es darum, Patienten, die nach durchgemachter Covid-Erkrankung anhaltend an Symptomen leiden, multidisziplinär zu versorgen – ‚Long Covid‘ ist ein Thema, das wir sehr ernstnehmen müssen. Die medizinische Behandlung dieses Phänomens steht erst am Anfang. Wir wollen den Betroffenen jedenfalls die bestmögliche Unterstützung bieten“, sagt Leja. Eine Steuerungsgruppe ist mit der Umsetzung des Projekts beauftragt. Zudem sollen telemedizinische Lösungen entwickelt und dem Behandlungsnetzwerk unterstützend zur Seite gestellt werden.
Foto: Lebensraum Tirol Holding/Oss