Dominik Linser von Ötztal Tourismus zeigte sich erfreut, dass man den umtriebigen Schladminger Bergbauern Hannes Royer für einen Vortrag mit Diskussionsrunde zum Thema Regionalität und Tourismus im Ötztal gewinnen konnte. „Diese Veranstaltung dient als Startschuss und soll dazu führen, dass regionale Produkte aus dem Tal in den Großhandel gelangen. Damit können GastronomInnen diese leichter beziehen. Am Ende dieses Prozesses steht die Vermarktung des Ötztals als Genussregion“, erklärte Linser. Der vielseitige Unternehmer, Landwirt, Bauernladenbetreiber und Vereinsgründer Hannes Royer ging in seinem Vortrag unter anderem folgenden Fragen auf den Grund: „Ist Regionalität nur ein Trend? Wissen wir, wie unser tägliches Brot erzeugt wird und welche Arbeit dahintersteckt? Was sind uns unsere Lebensmittel eigentlich wert?“ Dem regional verwurzelten und dabei global denkenden Bauern ist es ein Anliegen, Brücken zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Handel und KonsumentInnen zu schlagen und langfristig ein neues Qualitätsbewusstsein für in Österreich hergestellte Lebensmittel zu schaffen. Im Moment stammen davon in der Gastronomie weniger als 10 % aus Österreich, wohingegen die Mehrzahl der Gäste davon ausgeht, das meiste sei regional. Dabei liegt der Selbstversorgungsgrad in Österreich bei vielen Lebensmitteln deutlich über 100 % – Tirol ausgenommen, wo dieser in Bezug auf Schweinefleisch, Eier, Geflügel oder Gemüse gegen 0 geht. „Wir schwimmen im Rindfleisch, exportieren zig Tausend Tonnen Kalbfleisch, nur um dieses wieder zu importieren“, führte Royer dem Publikum die Absurdität der Situation vor Augen und ergänzte: „Wir denken in der regionalen Lebensmittelproduktion in Tirol immer noch viel zu klein und kurzfristig.“
„Regional ist Österreich“, Hannes Royer
Sowohl im Referat, also auch in der Diskussion konnten Probleme und Chancen der heimischen Landwirtschaft angesprochen und analysiert werden. Laut Royer ist gerade die Gesprächsbereitschaft untereinander dringend nötig, um die Zukunft gemeinsam planen und gestalten zu können. Er betonte aber auch, dass in der Gastronomie ein dem Lebensmittelhandel gegenläufiger Trend weg von der Regionalität zu beobachten sei. Dabei scheitert es weniger am Angebot als vielmehr an der Bewusstseinsbildung: „Fleisch aus Argentinien weist einen katastrophalen CO2-Fußabdruck auf, unsere österreichische Landwirtschaft hingegen entspricht genau den Voraussetzungen für Produkte, die klimaverträglich sind.“ Zum Schluss richtete Royer noch einen Appell an die Versammelten: „Es liegt an euch. Wenn ein paar Vorzeigebetriebe entstehen, dann habt ihr die Nase vorn.“
„Meistens spießt es sich am Preis“, Marita Kuen, Längenfeld
Die Produzentin und Direktvermarkterin von Ziegenmilch und -fleisch nutzte die Möglichkeit des Formats, das eigene Anliegen zu artikulieren: „Ich sehe ein Problem beim Absatz in der Gastronomie aufgrund der Preisempfindlichkeit.“ Ihre Produkte und Ziegenkitze vermarktet Kuen daher meist privat. Bertram Kuprian, Dorfmetzger in Längenfeld, entgegnete, er kenne genügend Betriebe im Tourismus, die eine entsprechende Qualität gerne abnähmen und richtete seinerseits einen Denkanstoß an die ProduzentInnen: „Die Qualität muss im Alltagsgeschäft auch dem entsprechen, was in der Küche tatsächlich gebraucht wird.“ Angelika Falkner, Gastgeberin im Hotel Das Central, bekräftigte, dass ihr Betrieb versuche, regional einzukaufen. Sie setzt dabei auf langfristige Partnerschaften: „Alles, was bei uns in der Gegend produziert wird, können wir gebrauchen.“ Die Geschäftsführerin vom Fleischhof Oberland sieht beide Seiten der Medaille: „Die Bereitschaft muss von allen Beteiligten gegeben sein. Aus Lieferantensicht stehen wir hier immer wieder vor großen Herausforderungen.“
„Gastronomie bereit für Regionalität, Zugang fehlt noch“, Florian Wedde, Riml Gastrobetriebe
Der Geschäftsführer der Riml Gastrobetriebe widmet sich im Rahmen eines Pilotprojekts aktiv dem Thema Regionalität: „Wir vermarkten das Tiroler Almrind, indem wir zwei Tiere im Drei-Wochen-Rhythmus abnehmen und alle Teile verarbeiten.“ Eine Herausforderung in der Gastronomie sieht Wedde darin, dass die meisten Küchenchefs nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen: „Die ProduzentInnen müssen sich überlegen, wie sie in die Gastronomie kommen und welche Qualität sie vermarkten wollen.“ Michael Wurzrainer von der Rinderzucht Tirol entgegnete, die Bauern würden sich fertige Projekte wünschen, an denen sie sich beteiligen können. Als positives Beispiel führte er das Projekt der Riml Gastrobetriebe an: „Heuer könnte es gelingen, dass wir mehr ins Ötztal liefern, als die Rinderzucht Tirol insgesamt in den letzten 15 Jahren in die Tiroler Gastronomie vermarkten konnte.“ Er betonte dabei auch die Wichtigkeit der Qualität der heimischen Ware, die den Importen aus Übersee in nichts nachstehen dürfe. Nicht von ungefähr liefere die Rinderzucht Tirol jedes Jahr tausende Stück bzw. zig Tonnen Rindfleisch in den Lebensmitteleinzelhandel.
Gemeinsame Zusammenarbeit
Zum Abschluss der Runde konnte Lukas Scheiber, Vorstand von Ötztal Tourismus, zufrieden konstatieren, dass eine Bereitschaft zum Agieren auf allen Seiten gegeben ist. Der Hotelier und Landwirt erkannte Handlungsbedarf bei allen Beteiligten. Er pocht auf das aktive Engagement aller Akteure und sagte zum Abschluss: „Wenn der Wirt weiß, welche Produkte von welchen Bauern angeboten werden, dann glaube ich, dass sich alles vermarkten lässt. Gleichzeitig müssen wir uns aber eingestehen, dass wir nie zu 100 % alles mit regionalen Produkten abdecken werden können.“