Nenda Neururer ist ein gebürtiges »Ötztaler Mädl.« Dass ihr das viele Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe erst nicht abkaufen, schmerzte die 26jährige studierte Schauspielerin oftmals in ihrer Vergangenheit. Alltagsrassismus erlebt sie nach wie vor in allen Facetten. Mit Oberland DABEI spricht die sympathische und toughe Ötztalerin, die nun in London lebt, über ihre gemischten Gefühle und ihre neue, gleichnamige Single (»Mixed Feelings«), in der sie tief einblicken und vieles hinterfragen lässt. Ein wirklich cooler Rap, in dem gekonnt die englische Sprache auf den Tiroler Dialekt trifft, Dirndl auf »Urban Style« oder Humor auf Tiefsinn.
Oberland Dabei: Nenda, du bist gebürtig aus dem Ötztal. Kannst du uns ein wenig über dein Leben in diesem Tiroler Tal und deine Kindheit erzählen?
Nenda Neururer: Gern – ich bin 26 Jahre alt, wie erwähnt im Ötztal aufgewachsen und habe in Telfs die Ober- und Unterstufe besucht. Nach meiner Matura begann ich ein Chemie- und ein Russischstudium an der Uni Innsbruck, allerdings erkannte ich ziemlich schnell, dass das nicht das Richtige für mich ist und bin dann nach London gezogen. Dort habe ich die Schauspielschule besucht und 2017 abgeschlossen. Seitdem arbeite ich in London als Schauspielerin.
Oberland Dabei: Hast du dich bereits als Kind »anders« gefühlt? Wie war dein Empfinden?
Nenda Neururer: Also »anders gefühlt« habe ich mich natürlich nicht, aber ich bin immer anders behandelt worden. Von Erwachsenen und anderen Kindern. Ich wurde schon immer gefragt, wo ich wirklich herkomme? Ist deine Mama wirklich deine Mama? Auch hörte ich oft: »Das kann ja nicht sein, dass du aus dem Ötztal, also aus Sautens, bist?« Das war für mich immer sehr verwirrend, weil als Kind kennt man sich nicht aus und für das Selbstvertrauen ist es schwierig, wenn man sich immer beweisen und verteidigen muss. Es hat jedenfalls Spuren hinterlassen. Und, das manifestiert sich halt zu diesem »sich immer noch beweisen müssen.« Wenn ich beispielsweise zum Skilift gehe und nach einem »Einheimischenpreis« frage, bin ich immer noch ein bisschen nervös, weil ich von früher her die Erfahrung habe, dass man mir nicht glaubt, dass ich »einheimisch« bin.
Oberland Dabei: Warum bist du nach London gezogen? War es wirklich aus dem Grund, den du in deiner Debütsingle »Mixed Feelings« besingst, in der es heißt »Aber, checksch du Tirol, dass i des Land verlassen hab, weil mi zu viele Leit fragen, ob i Deutsch sprechen kann?«
Nenda Neururer: Nach London bin ich 2013 gezogen und der Grund war nicht wirklich diese häufige Frage, sondern, weil ich eine Schauspielkarriere anfangen wollte und ich gewusst habe, dass es dort hervorragende Möglichkeiten und Schauspielschulen gibt. Eigens dafür hab ich auch immer fleißig Englisch geübt.
Oberland DABEI: Erlebst bzw. erlebtest du in Tirol »Alltagsrassismus«? Wie ist das in London?
Nenda Neururer: In Tirol habe ich immer viel Alltagsrassismus erlebt und erlebe es auch immer noch. Also eigentlich in ganz Österreich, nicht nur in Tirol, aber es sprechen mich oft Leute auf Englisch an und selbst, wenn ich auch Deutsch antworte, reden sie auf Englisch weiter, was ich sehr störend finde. Oder, sie sind überrascht, dass ich so gut Deutsch kann. Früher in der Volksschule wurde man halt ausgeschlossen und anders behandelt und auch immer dreimal gefragt, wo man her kommt. Wenn man dann erklärt, woher man ist, begegnen einem die Menschen mit Zweifel. In London gibt’s auch Alltagsrassismus, aber nicht so häufig wie in Tirol, weil London doch eine multikulturelle Stadt ist.
Oberland DABEI: Schreibst du deine Songs selbst? Und – ist »Mixed Feelings« dein erster Song?
Nenda Neururer: Meine Songs schreib ich selber. »Mixed Feelings« ist aber nicht der erste, ich hab schon immer Songs geschrieben. Eigentlich mache ich Musik, seit ich klein bin, auch habe ich Gedichte und Lieder geschrieben. »Mixed Feelings« ist allerdings der erste Song, den ich veröffentlicht habe.
Oberland DABEI: Welche Message möchtest du mittels dieses Songs zum Ausdruck bringen?
Nenda Neururer: Die Message, die ich mit dem Song ausdrücken möchte ist: Zum einen wollte ich zeigen, dass man Tirolerin und Österreicherin sein kann, egal wie man ausschaut. Man muss nicht »weiß« sein, um als Österreicherin oder Tirolerin anerkannt zu werden. Es gibt viele von uns, die »sichtbare Migrationshintergründe« haben und trotzdem genauso Österreicherin oder Tirolerin sind. Zum anderen möchte ich Vorbild für jüngere Kinder sein, die bisher kein Vorbild hatten. Als ich ein Kind war, hat es niemanden gegeben, der so ausgeschaut hat wie ich und tirolerisch oder österreichisch, oder überhaupt deutsch, gesprochen hat. Und deswegen ist es auch schwierig: Wenn man sich nicht selber sieht auf großen Postern oder im Fernsehen, in der Bank, in höheren Job-Positionen, usw., dann ist es halt insofern schwierig, weil man sich immer denkt: »Ich passe da nirgends rein. Was kann ich denn machen mit meinem Leben?« Deswegen bin ich gern ein Vorbild für kleinere Kinder, oder auch Jugendliche oder Erwachsene, die jemanden zum Aufschauen brauchen. Und ich hoffe, dass ich das auch kann.
Oberland DABEI: Wie ist die Corona-Situation für Künstler/Musiker derzeit in London?
Nenda Neururer: Die Corona-Situation ist auch in London für alle schwierig, besonders in der Theater-Szene habe ich es mitbekommen, weil es meine Welt ist. Die Theater sind geschlossen und können nicht viel machen, manche haben kleinere Filme und andere machbare Projekte gemacht. Grundsätzlich aber waren die Theater das ganze Jahr zu und sind es auch immer noch. Gott sei Dank hat die britische Regierung Künstler unterstützt. Aber, ohne diese Corona-Situation hätte es »Mixed Feelings« nicht gegeben, deswegen hat diese Pandemie zumindest etwas Gutes.
Oberland DABEI: Vielen Dank für das Gespräch!
Elisabeth Zangerl