Die COVID 19-Pandemie hat massive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. „Zur Gruppe jener Personen, die vor Ausbruch der Pandemie bereits als armutsgefährdet galten, zählen insbesondere Migrantinnen und Migranten“, betont Soziallandesrätin Gabriele Fischer. Da diese Personengruppen oftmals in Bereichen tätig sind, die von der gegenwärtigen Situation besonders betroffen sind, besteht für sie auch die erhöhte Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes. „Es bedarf daher eines umfassenden Beratungsangebots für Migrantinnen und Migranten, um Armutsgefährdung und Desintegration zu vermeiden“, ist Fischer überzeugt. Aus diesem Grund fördert das Land Tirol im Rahmen seiner „Konjunkturoffensive 2021 – 110 Projekte für Tirol“ das Projekt ,,Unabhängige Beratung Tirol, Sozial- und Rechtsberatung für Geflüchtete und Migranten“ des Diakonie Flüchtlingsdienstes in Höhe von 150.000 Euro. „Erstmals finden Flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten ein gebündeltes Beratungsangebot, das sowohl Sozial- als auch Rechtsberatung ‚unter einem Dach‘ vereint, indem das Angebot von überwiegend aufenthaltsrechtlichen Beratungen auf sozial-, miet- und familienrechtliche Fragestellungen ausgedehnt wurde“, betont Fischer. Um regionalen Bedürfnissen gerecht zu werden, sollen zudem zur Beratungsstelle in Innsbruck die Beratungsaktivitäten auf die weiteren Standorte Wörgl und lmst ausgeweitet werden.
Dass der Bedarf an einer Sozial- und Rechtsberatung für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung enorm ist, hat sich schon in den vergangenen Jahren gezeigt: Im Jahr 2019 hat der Diakonie Flüchtlingsdienst im Rahmen seines vom Land Tirol geförderten Projekts mit 1.194 Personen insgesamt 1.786 Beratungen durchgeführt. Im Jahr 2020 waren es 912 Personen und 1.433 Beratungen – die Anzahl der Beratungen musste aufgrund der Covid-19-bedingten Schließung der niederschwelligen, offenen Beratung und der Umstellung auf Terminberatung reduziert werden.
Für ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes und selbstständiges Leben in Tirol
„Wir bieten eine niederschwellige und multiprofessionelle Beratung an, die darauf abzielt, Flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten zu ermächtigen, ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes und selbstständiges Leben in Tirol zu führen“, nennt Johanna Maier von der Rechtsberatung des Diakonie Flüchtlingsdienstes den Fokus des Angebots. Im Zentrum stehen ein gesicherter Aufenthalt und die existenzielle Absicherung, denn: „Ein gesicherter Aufenthalt ist die Grundlage für eine erfolgreiche Integration in Tirol“, stellt Maier klar. Darüber hinaus wird bei den Beratungen eine Orientierungshilfe sowie die Aufklärung über das Sozial-, Rechts- und Wertesystem in Österreich geleistet.
Die Sozial- und Rechtsberatung steht unabhängig vom Aufenthaltstitel allen geflüchteten Menschen und Migranten offen. Die Beratungsgespräche erfolgen entweder in Deutsch oder dolmetschgestützt und werden von einem multiprofessionellen Team aus Sozialarbeitern und Juristen geführt. „Im Rahmen der Beratungen gehen wir individuell auf die Rat- und Hilfesuchenden ein. Auch die Unterstützungsangebote richten sich demzufolge nach deren Bedürfnissen“, informiert Maier. Ziel sei es, dem Einzelnen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe die Möglichkeit zu geben, sich so zu entwickeln, dass gegenwärtige und auch spätere Problemlagen besser bewältigen werden können.
Dabei dient die Sozial- und Rechtsberatung nicht nur den Betroffenen, sondern auch Unterstützern und Arbeitgebern als professionelle Anlaufstelle.
Sozialberatung
„Die Sozialberatung reicht von Fragen der Existenzsicherung und Wohnversorgung über psychosoziale Beratung bis hin zu Arbeitssuche und Auskünften zu Bildung/Ausbildung und familiären Belangen wie Scheidungen“, berichtet Simone Rabl von der Sozialberatung des Diakonie Flüchtlingsdienstes. Bevor nicht die Deckung der Grundbedürfnisse wie aufenthaltsrechtliche und finanzielle Absicherung, medizinische Behandlung bei physischen sowie psychischen gesundheitlichen Problemen gegeben ist, können sich Personen nicht den Fragenstellungen rund um das Zusammenleben, Arbeit und Ausbildung und der gesellschaftlichen Orientierung widmen, weiß Rabl aus Erfahrung. Gleichzeitig sind viele geflüchtete Menschen durch die Ungewissheit in einer komplexen Rechtsmaterie sowie Traumatisierungen einer großen psychischen Belastung und auch existenziellen Ängsten ausgesetzt, was einer psychosozialen Unterstützung bedarf. „Die Coronakrise trifft diese Zielgruppe besonders hart, da sie besonders oft vom Verlust des Arbeitsplatzes – etwa im Tourismus – betroffen war, und dies den Aufenthalt gefährden kann sowie psychosozial destabilisiert. Hier greift unsere Sozialberatung, die sich auf die Existenzsicherung, Wohnversorgung und psychosoziale Beratung von MigrantInnen und Menschen mit Fluchterfahrung spezialisiert hat“, berichtet Rabl. „Hierbei hat sich die ‚Beratung unter einem Dach‘ schon mehrfach bewährt. In den vergangenen Monaten sind sehr viele Geflüchtete und Migranten in unsere Beratungseinrichtung gekommen, die schon seit Jahren in Österreich leben und arbeiten. Im Zuge der Pandemie haben sie – wie viele andere Menschen auch – ihre Arbeit verloren. Für einige Aufenthaltstitel muss jedoch ein Einkommen vorgewiesen werden. Hier ist es notwendig, so schnell wie möglich zu intervenieren. Der Sozialberatung gelang es häufig, finanzielle Zwischenlösungen und gemeinsam mit den Betroffenen eine neue Arbeitsstelle finden, während sich die Rechtsberatung der aufenthaltsrechtlichen Situation annahm.“
Bild: LRin Gabriele Fischer (Mitte) mit von li. Johanna Maier (Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst) und Simone Rabl (Sozialberatung Diakonie Flüchtlingsdienst),
Foto: Land Tirol/Reichkendler