Im Jahr 2002 hat sich in Tarcento im italienischen Friaul um Luigi Revelant eine Gruppe von begeisterten Maskenschnitzern, die „Mascherai Alpini“, gebildet, welche die Tradition der alpenländischen Fasnacht und besonders die Volkskunst der Masken zu fördern beabsichtigte.
Bald schlossen sich Schnitzer aus den Regionen Veneto, Trient und Lombardei dieser Gruppe an, ebenso traten Larvenschnitzer aus Slowenien und Ungarn dem „Consorzio Mascherai Alpini“ – so der Name dieser Vereinigung – bei. Nach einiger Zeit streckte die Schnitzervereinigung ihre Fühler auch nach Tirol aus, und seit dem Jahr 2005 sind auch Imster Schnitzer Mitglieder dieser Assoziation, die Beziehungen zu Kultureinrichtungen in Italien und Österreich sowie zu Forschern der Volkstraditionen unterhält.
Seit ihrer Gründung trifft sich die Gruppe jährlich auf einem Symposium, das den Holzmasken gewidmet ist. Ein ganzes Wochenende lang zeigen die teilnehmenden Künstler hierbei in einer für jedermann zugänglichen Open-Air-Veranstaltung, wie sie ihre Larven schnitzen, tauschen sich untereinander aus und beantworten Fragen der interessierten Zuschauer. In den ersten Jahren fand die Tagung in Tarcento statt, aber im Laufe der Zeit wurde ein richtiggehendes „wanderndes Rendezvous“ daraus, das alle wichtigen Orte, wo sich diese alte Tradition noch ausdrückt, zu erreichen trachtet. So fand schon in den Jahren 2008 und 2017 dieses Symposium unter großem Publikumsandrang in Imst, 2019 in Fiss statt.
Nach zweijähriger, coronabedingter Pause war es heuer wieder so weit: In der Gemeinde Canale d’Agordo im italienischen Belluno kamen über 20 Schnitzer am Wochenende vom 22. bis 24. Juli zum langersehnten Stelldichein zusammen, unter starker Tiroler Beteiligung: Der Walder Benjamin Gabl, der Imsterberger Markus Thurner (beide schnitzen hervorragende Imster Fasnachtslarven!) die Nassereitherin Irene Krismer, die Thaurerin Mathilde Speckbacher-Thurnbichler und der Fisser Siegfried Krismer waren mit dabei.
Schon am Tag der gemeinsamen Anreise begann man sogleich nach Einrichtung der Werkbereiche zu schnitzen, teilweise an den öffentlichen Plätzen, andererseits auch in alten Holzstadeln des Ortes – ein super Ambiente, wie die Künstler unisono betonten.
Nach einem gemeinsamen Abendessen ging es samstags in derselben Tonart weiter: Man schnitzte den ganzen Tag über neue Larven an den Werkbänken und stand nebenbei den vielen Besuchern allen Sprachbarrieren zum Trotz Rede und Antwort. Diese erwiesen den Künstlern hohen Respekt und bewunderten deren Erzeugnisse. Die Tiroler Künstler tauschten sich in gewohnter Weise auch mit den Schnitzerkollegen aus anderen Gebieten aus: So werden in Schignano am Comosee Fasnachtslarven aus Walnussholz geschnitzt, bei den Dolomitenladinern spielen der Bufon, die „Bel“ und die „Brutti“ (Schianen und Schiachen) eine Rolle. In den Bergregionen des Belluno und in Friaul bestehen ebenso alte Fasnachtstraditionen wie in Slowenien.
Im Rahmen der Jahreshauptversammlung der Vereinigung Mascherai Alpini wurde deren langjähriger Vorsitzender Luigi Revelant wiedergewählt. Darüber hinaus trägt man sich mit der Absicht, eine Publikation über die Geschichte der Vereinigung, ihrer Symposien und der beteiligten Schnitzer und Schnitzerinnen herauszubringen – eine überaus lohnende Idee!
Auch das Rahmenprogramm in Canale d‘Agordo kam nicht zu kurz. Die Schnitzer besuchten eine interessante Ausstellung im Ort, wo Masken für ein Theaterstück ausgestellt waren, die Luigi Revelant und seine Freunde geschnitzt haben. Die Tiroler erhielten eine eigene deutschsprachige Führung zur Ausstellung. Stolz wiesen die Dorfbewohner auch auf ihre eigene, recht urtümliche Fasnacht hin, in deren Zentrum eine fesche junge Dame aus dem Ort steht. Ein Spitzhut wie beim Turesackner ist auch hier vertreten!
Bis Sonntag vormittags wurde weitergeschnitzt, das anschließende gemeinsame Abschlussessen und die offizielle Verabschiedung der Schnitzer, bei der einmal mehr die große Gastfreundschaft der Ortsbewohner zum Ausdruck kam, bildeten den Ausklang des gelungenen Symposiums.
Benjamin Gabl erweist sich als würdiger Nachfolger vom Imster Schnitzerdoyen Walter Zangerle, der aus gesundheitlichen Gründen seine Teilnahme am Symposium absagen musste. Er zieht ein sehr persönliches Resümee: „Solche Zusammenkünfte vermitteln wieder einmal den Eindruck, wie wichtig und verbindend die Kultur für unser menschliches Dasein ist und wie friedvoll sie auf uns wirken kann!“
Titelbild: Benjamin Gabl