In den 53 kommunalen Tiroler Kläranlagen fallen im Zuge der biologischen Abwasserreinigung jährlich rund 60.000 Tonnen Klärschlamm an. Statt diesen für teures Geld an Dritte zur Entsorgung übergeben zu müssen, soll der Tiroler Klärschlamm mittelfristig zum Großteil im eigenen Land zur Energieerzeugung und Nährstoffrückgewinnung genutzt werden. Auf Grundlage einer vom Land Tirol in Auftrag gegebenen zukunftsweisenden Strategie zur gemeinsamen Verwertung des Tiroler Klärschlamms nehmen die vier größten Kläranlagenbetreiber Tirols nun das Heft in die Hand gehen an die praktische Umsetzung.
„Eine eigene Tiroler Klärschlammverwertung bietet die Chance, dieses Restprodukt aus der Abwasserreinigung im Sinne der Kreislaufwirtschaft vom teuren Abfall zum erneuerbaren Energieträger und zur Basis für die Rückgewinnung des Nährstoffs Phosphor zu machen. Gleichzeitig erhöhen die Betreiber der Tiroler Kläranlagen die Sicherheit der ordnungsgemäßen Klärschlammverwertung und wirken Gebührenerhöhungen durch ständig steigende Entsorgungskosten über Externe entgegen“, erläutern Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe, die als Umweltlandesrätin für Abfall zuständig ist, und der für Siedlungswasserwirtschaft und Energie zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler.
Wärme für 2.000 Haushalte
Aus den zuvor dezentral getrockneten Klärschlämmen aller Anlagen lassen sich in einem Klärschlamm-Biomasse-Heizwerk jährlich bis zu 36.000 Megawattstunden Energie in Form von Wärme gewinnen. „Das entspricht dem durchschnittlichen Heizenergiebedarf von rund 2.000 Haushalten. Damit verringern wir unsere Abhängigkeit von Putins Gas und machen einen weiteren wichtigen Schritt in die Energieunabhängigkeit 2050“, betont Geisler. Die Kläranlagenbetreiber und somit die Tiroler Gemeinden bereiten sich mit einer eigenen Klärschlammverwertung nicht zuletzt auch auf eine zu erwartende Änderung der Rechtslage vor. „Ab 1.1.2030 wird es die Verpflichtung zur thermischen Verwertung von Klärschlamm und zur Rückgewinnung von Phosphor aus der Asche geben. Tirols Kläranlagenbetreiber setzen gemeinsam rechtzeitig die richtigen Schritte“, sieht Felipe Tirol auf einem guten Weg.
Kläranlagenbetreiber schließen sich zusammen
Die Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB), der Abwasserverband Achental-Inntal-Zillertal (AV AIZ), der Abwasserverband Wörgl-Kirchbichl und Umgebung sowie der Abwasserverband Hall in Tirol-Fritzens reinigen die Abwässer aus 76 Gemeinden mit rund 340.000 EinwohnerInnen. In ihren Kläranlagen fallen 50 Prozent des Tiroler Klärschlamms an. „Wir haben uns zusammengeschlossen, um das zukunftsweisende Projekt Tiroler Klärschlammverwertung voranzutreiben. Dazu bereiten wir die Gründung einer kommunalen Klärschlammverwertungs-GmbH vor“, erklärt Bernhard Zit, Geschäftsbereichsleiter Abwasser in der IKB. In den vergangenen Wochen wurden alle Tiroler Kläranlagenbetreiber über das Vorhaben informiert. „Das Interesse mitzumachen ist groß“, berichtet Kurt Dornhofer, Geschäftsführer des AV Wörgl-Kirchbichl.
Investitionsbedarf bis zu 30 Millionen Euro
Wo genau die erforderlichen Anlagen zur Verwertung des Tiroler Klärschlamms entstehen sollen, ist Teil der nächsten Planungsschritte. „Natürlich wollen wir auch die erzeugte Energie ganzjährig etwa durch die Anbindung und Abgabe an ein leistungsfähiges Fernwärmenetz bestmöglich nutzen“, so Christian Callegari, Geschäftsführer des AV Hall-Fritzens. Der Investitionsbedarf für eine gemeinsame Anlage zur Verwertung der kommunalen Tiroler Klärschlämme liegt laut der vom Land Tirol in Auftrag gegebenen Strategie bei geschätzten 25 bis 30 Millionen Euro. Bis zur Inbetriebnahme ist mit einem Zeitbedarf von etwa sieben Jahren zu rechnen.
Kostensenkung durch eigene Verwertung
Ausschlaggebend für die Initiative der Tiroler Kläranlagenbetreiber zur gemeinsamen Verwertung des Klärschlamms sind neben einer langfristig stabilen Verwertungsschiene nicht zuletzt die stetig steigenden Preise für die Klärschlammentsorgung. „Die Kosten sind in den letzten Jahren überproportional gestiegen. Zwar sind die Kläranlagen als kommunale Einrichtungen nicht gewinnorientiert. Aber wir sind verpflichtet, kostendeckende Gebühren vorzuschreiben“, erklärt Josef Dengg, Geschäftsführer des AV AIZ. Mit der Umsetzung der Tiroler Klärschlammstrategie sollen die Kosten der Klärschlammverwertung in Tirol für alle Anlagen deutlich sinken.
Titelbild: Derzeit wird der Klärschlamm aus Tirols Kläranlagen auf Lkw verladen und zum großen Teil außerhalb von Tirol teuer entsorgt. Künftig soll er im Land zur Energieerzeugung und Nährstoffrückgewinnung genutzt werden.
Foto: Abwasserverband AIZ