Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: in den Sommermonaten dieses Jahres hat es eine Steigerung der Alpinunfälle von rund 30 Prozent im Vergleich zum Durchschnittswert der vergangen zehn Jahre gegeben. Insgesamt knapp 13 Personen verunfallten im Schnitt täglich in den Tiroler Bergen.
Das Tiroler Sicherheitsforum als Plattform für Vernetzung und einen offenen Diskurs fand kürzlich auf Initiative von Sicherheitslandesrätin Astrid Mair zum zweiten Mal statt. Dabei trafen sich VertreterInnen von Behörden und Einsatz- sowie Sicherheitsorganisationen im Landhaus 2, um sich über das Thema „Alpine Sicherheit“ auszutauschen, Erfahrungswerte zu teilen sowie gemeinsame Lösungsansätze zur Förderung der Sicherheit im alpinen Raum zu diskutieren.
Die TeilnehmerInnen waren sich darüber einig, dass das Informationsangebot im Hinblick auf eine sichere Tourenplanung für die breite Bevölkerung sehr gut ist. Es gelte nun – vor dem Hintergrund des nach wie vor steigenden Trends zum Bergsport – noch mehr Bewusstsein zur Eigenverantwortung zu schaffen. Unfälle sollen bereits im Vorfeld bestmöglich verhindert und das Augenmerk in Zukunft weiterhin auf moderne Techniken gelegt werden, um zeitgemäße Informations- und Ausbildungsangebote, sowohl für Organisationen als auch Privatpersonen, zur Verfügung stellen zu können.
„Das Thema ‚Alpine Sicherheit‘ ist in Tirol zeitlos. Trotzdem rückt es aktuell mehr denn je in den Fokus. Das liegt allen voran daran, dass sich der Sport in den Bergen enormer Beliebtheit erfreut. Durch neue technische Möglichkeiten wie E-Bikes ist es auch der breiten Masse möglich geworden, steileres Gelände und weitere Strecken zu bewältigen. Naturgemäß kommt es dadurch vermehrt zu Unfällen – und das nicht zuletzt, weil sich Sportlerinnen und Sportler oftmals selbst überschätzen oder vor der Bergtour zu wenig informieren. Wir müssen es daher schaffen, die Menschen wieder zu mehr Eigenverantwortung zu bewegen. Denn auch wenn wir uns in Tirol auf ein engmaschiges Sicherheitsnetz mit top ausgebildeten und ausgestatteten Einsatzorganisationen verlassen können, darf das kein Freibrief sein, um sich in Gefahr zu bringen“, betont LRin Mair und unterstreicht gleichzeitig den Mehrwert des Sicherheitsforums: „Die Vernetzung verschiedenster Organisationen und der Austausch waren mir immer schon wichtig. Das Tiroler Sicherheitsforum wurde daher von mir ins Leben gerufen, um Kontakte zu knüpfen und zu stärken, andererseits aber auch, um aktuelle Sicherheitsthemen zu erörtern. Das Ausloten gemeinsamer Maßnahmen steht dabei im Fokus.“
Trends und Herausforderungen des alpinen Unfallgeschehens.
Im Zuge eines Impulsvortrages informierte Matthias Knaus, Geschäftsführer des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, über Trends im alpinen Unfallgeschehen und die daraus wachsenden Herausforderungen. In den Tiroler Bergen hat es im Sommer dieses Jahres, von Anfang Mai bis Mitte Oktober 2023, knapp 1.800 Unfälle mit 2.160 Verunfallten gegeben. Insgesamt wurden rund 1.500 Verletzte und 48 tödlich verunglückte Personen verzeichnet. Im Zehnjahresmittel (Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre) waren es rund 1.400 Unfälle mit rund 1.600 Verunfallten, rund 1.100 Verletzten sowie 51 tödlich Verunglückten. „Der positive Trend zu aktivem und gesundem Leben führt zu deutlich mehr Sportbegeisterten im alpinen Raum. Dies spiegelt sich auch in den 30 Prozent höheren Unfallzahlen in Tirol wider, die wir im Sommer im Vergleich zum Schnitt der vergangenen zehn Jahre verzeichneten. Im Mountainbike- bzw. E-Mountainbike-Bereich haben wir sogar eine Steigerung von 60 Prozent. Im vergangenen Sommer verzeichneten wir in Tirol insgesamt fast 13 Verunfallte pro Tag. Diese Entwicklung stellt eine direkte Herausforderung für die Ressourcen der Einsatzorganisationen dar. Positiv ist, dass sich die Zahl der tödlich Verunglückten nicht wesentlich gesteigert hat“, betont Knaus.
Um dem steigenden Unfallgeschehen entgegenzuwirken, brauche es vor allem mehr Eigenverantwortung der einzelnen Personen, betont auch Knaus: „Freizeitsportlerinnen und -sportler sollten ihre eigenen Fähigkeiten und ihren Gesundheitszustand kennen. Zudem sollten Angebote zur Aus- und Weiterbildung gefördert und genützt werden, wenn man regelmäßig in den Bergen unterwegs ist.“ Für Organisationen nennt Knaus Datenaustausch- und Optimierung als Schlüsselbegriffe. Nur mit neutralem Blick auf valide Daten seien Verbesserungen möglich.
„Notfall Lawine VR“: Moderne Technik für bestmöglichen Trainingseffekt.
Jahr für Jahr kommt es zu zahlreichen Lawinenabgängen mit Verschütteten und auch Todesopfern. So waren es im vergangenen Winter 2022/23 neun Lawinenabgänge, die zehn Todesopfer forderten. Darüber hinaus gab es weitere 17 Lawinen mit 22 Verletzten und über 80 registrierte Lawinen mit Personenbeteiligung. Der zweite Teil des Sicherheitsforums widmete sich daher, passend zum Beginn der kalten Jahreszeit, dem Thema Lawinensicherheit. Norbert Lanzanasto vom Lawinenwarndienst des Landes Tirol stellte den neuen Trainingssimulator für Lawinenrettungen „Notfall Lawinen VR“ vor und gab grundsätzliche Einblicke in die Arbeit des Lawinenwarndienstes: „Von der täglichen Datenanalyse über eine sichere Planung von Touren im Gelände bis hin zur Erstellung von Schneeprofilen und die darauf aufbauende Bewertung der aktuellen Lage – unsere Tätigkeit im Winter ist abwechslungsreich und erfordert ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Aber auch die ‚lawinenlose‘ Zeit in den Sommermonaten nutzen wir zur Vorbereitung und (Weiter-)Entwicklung neuer Anwendungen.“ Diesen Sommer wurde gemeinsam mit der Tiroler Firma MediaSquad ein Trainingssimulator entwickelt. „Die neue Anwendung ist eine optimale Ergänzung der Übungen im Gelände. Dadurch können Abläufe verinnerlicht und automatisiert werden. Gleichzeitig können wir damit jungen Menschen auf spielerische Art und Weise die Wichtigkeit der Vorbereitung und Absolvierung von Lawinenkursen näherbringen“, zeigt sich Lanzanasto vom Mehrwert der „Notfall Lawine VR“ überzeugt.
Titelbild: (Von links nach rechts) Matthias Knaus (ÖKAS), LRin Astrid Mair und Norbert Lanzanasto (Lawinenwarndienst des Landes Tirol) beim 2. Tiroler Sicherheitsforum im Landhaus 2.
Foto: Land Tirol/Brandhuber