Neues Corona-Frühwarnsystem

Die Tiroler Landesregierung hat sich in ihrer heutigen Sitzung für den Aufbau eines Abwassermonitorings ausgesprochen, mit dem die Viruslast in Tiroler Regionen und Gemeinden durch die Probenentnahme aus Kläranlagen gemessen werden kann. Insgesamt soll dadurch ein flächendeckendes Corona-Frühwarnsystem etabliert werden. Details dazu präsentierte LH Günther Platter in Innsbruck gemeinsam mit Gesundheits- und Wissenschaftslandesrat Bernhard Tilg sowie Herbert Oberacher, Professor am Institut für Gerichtliche Medizin an der Medizinischen Universität Innsbruck, Cornelia Lass-Flörl, Direktorin des Instituts für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck und Elmar Rizzoli vom CORONA-Einsatzstab des Landes. Für die Umsetzung – insbesondere die Anschaffung von notwendiger Ausrüstung und Labortechnik – stellt das Land Tirol abermals bis zu 40.000 Euro zur Verfügung. Bereits im vergangenen Mai hat die Landesregierung ein erstes Pilotprojekt für den Nachweis und die Überwachung von SARS-CoV-2 Infektionen per Abwasseranalyse mit 25.000 Euro unterstützt. Aufbauend auf den nun vorliegenden Ergebnissen der Pilotstudie sollen weitere Schritte in Richtung flächendeckende Virus-Überwachung mit der Beprobung von 43 Tiroler Kläranlagen unternommen werden.

„Wir müssen uns frühzeitig für den Herbst und insbesondere für die kommende Wintersaison rüsten und bereiten uns bereits jetzt bestmöglich auf die mit dem Coronavirus verbundenen Herausforderungen vor. Damit wollen wir allen Einheimischen, Gästen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Tourismusbetrieben ein Maximum an Sicherheit bieten. Ein Abwasser-Monitoring, das als Corona-Frühwarnsystem fungiert, kann für uns neben weiteren Maßnahmen – etwa der vom Bund geplanten Corona-Ampel – ein zusätzliches Instrument sein, um frühzeitig Maßnahmen zur Virus-Eindämmung zu setzen“, betont Platter.

Infektionsentwicklung bereits mehrere Tage im Voraus abbildbar

Mit dem Projekt der Abwasseranalyse sollen die bestehenden Maßnahmen wie das COVID19-Dashboard des Landes Tirol oder bereits durchgeführte, wissenschaftliche Studien um Ansätze aus der Abwasserepidemiologie ergänzt werden. „In der Coronakrise ist es essentiell, dass die Behörden über zuverlässige und umfassende Daten verfügen, die ihnen als Entscheidungsgrundlage für präventive Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus dienen. Dazu müssen wir die Wissenschaft und Forschung unterstützen, was wir seitens des Landes bereits seit Beginn der Krise machen“, so LR Tilg.

Im Zusammenhang mit einem Coronavirus-Cluster im Wipptal wurde im vergangenen Juli parallel zu allgemeinen Maßnahmen auch ein Abwassermonitoring im Einzugsbereich des Abwasserverbandes Unteres Wipptal durchgeführt. Rund 5.500 EinwohnerInnen wurden dabei erfasst. Außerdem wurden unter der Federführung von Prof. Oberacher in Kooperation mit der Landesabteilung für Wasserwirtschaft bereits seit Mai Monitorings bei der Kläranlage Innsbruck und bei Kläranlagen im Unterland umgesetzt. „Bei dieser ersten Phase des Pilotprojekts in Innsbruck hat sich herausgestellt, dass es möglich ist, Viren im Abwasser etwa fünf bis sieben Tage zu erkennen, bevor diese in Form von positiven Coronavirus-Testergebnissen sichtbar werden“, zeigen sich LH Platter und LR Tilg zuversichtlich.

„SARS-Covid-Viren können im Darm nachgewiesen werden. Das heißt, mit der Untersuchung des Stuhls kann man feststellen, ob jemand das Virus in sich trägt – unabhängig davon, ob Symptome verspürt werden. Ein entsprechendes Abwassermonitoring kann zum einen Aufschluss darüber geben, ob in Regionen Viren ausgeschieden werden. Zum anderen erhalten wir Informationen über den Grad der Viruslast, ob diese gering oder erhöht ist“, erklärt Cornelia Lass-Flörl.

„Die Grundlage des Abwasser-Monitorings zum Coronavirus ist die Bestimmung von Virus-RNA-Mengen im Zulauf von Kläranlagen. Mit den Ergebnissen, die wir aus den Proben von Kläranlagen gewinnen, kann es uns gelingen, die zeitliche und räumliche Entwicklung des Infektionsgrades eines repräsentativen Bevölkerungsanteils zu untersuchen und dadurch einen Trend in der Virusentwicklung abzuleiten. Das heißt, wir bekommen eine Warnung bereits mehrere Tage im Voraus, dass Infektionen in einzelnen Regionen Tirols auftreten werden“, sagt Oberacher. „Die Abwasseranalyse wird bereits seit einigen Jahren auch in Tirol erfolgreich eingesetzt, um den Drogenkonsum zu untersuchen. Die Infrastruktur und das Know-how für diese Analyse sind also bereits vorhanden. Jetzt geht es darum, dass wir dies auch flächendeckend auf das Coronavirus anwenden.“

Alle vorhandenen Kompetenzen bündeln

Damit die Optimierung des Abwassernachweisverfahrens möglichst rasch vonstattengeht, werden jetzt alle Kompetenzen gebündelt. Bereits bestehende Kooperationen innerhalb der Medizinischen Universität mit dem Institut für Hygiene und medizinische Mikrobiologie sowie dem nationalen und internationalen Forschungsnetzwerken sollen Synergien nutzen. Die Vorteile der Abwasseranalyse liegen auf der Hand: Die notwendige Infrastruktur ist bereits vorhanden, die Probennahme in den Kläranlagen einfach und sicher. Insgesamt ist eine schnelle und kostengünstige Umsetzung möglich. „Die nächsten Schritte sind nun, die notwendige Logistik auszubauen, insbesondere was die rasche Überführung von Proben aus Kläranlagen ins Labor betrifft“, so Oberacher.

Behörden können noch besser präventiv agieren 

„Durch ein Frühwarnsystem via Abwasser-Monitoring kann die Lagebeurteilung mit einem erheblichen Zeitgewinn getroffen werden. Maßnahmen kann man bereits sehr früh und präventiv treffen – das würde bedeuten, dass mit der Virus-Eindämmung schon begonnen wird, bevor überhaupt eine Person positiv getestet wurde. In Summe können Behörden und Einsatzkräfte dadurch noch schneller agieren, was uns enorme Vorteile bringt“, informiert Elmar Rizzoli vom Einsatzstab CORONA des Landes Tirol. Bisher könne man meist erst dann konkret reagieren, nachdem positive Testergebnisse vorliegen.

Für ein flächendeckendes Corona-Abwassermonitoring wird eine Probennahme bei 43 Kläranlagen in Tirol erfolgen.
Fotos: Land Tirol