Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann und Landesvolksanwältin Maria Luise Berger präsentierten den 2019er-Jahresbericht der Tiroler Landesvolksanwaltschaft. 5.839 Personen haben sich im Vorjahr an die Einrichtung des Landtages gewandt.
„Für einen funktionierenden Rechtsstaat ist eine unabhängige Beratungs- und Beschwerdestelle unverzichtbar. Maria Luise Berger und ihr Team tragen mit ihrem niederschwelligen Angebot wesentlich dazu bei, dass behördliche Entscheidungen besser nachvollziehbar sind, aber auch Missstände aufgezeigt werden und ihnen nachgegangen wird“, sagt Sonja Ledl-Rossmann.
Frühe Kontaktaufnahme erleichtert Lösungsfindung
Der Trend der vergangenen Jahre, wonach weitaus öfter Beratungsgespräche stattfinden, als Beschwerden deponiert werden, setzte sich auch 2019 fort. 79 Prozent der Kontakte betrafen Beratungen – ein Plus von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Indem schon frühzeitig Hilfestellung in Anspruch genommen wird, können Fragen bereits im Vorfeld geklärt werden. In 21 Prozent der Fälle wurden Beschwerden entgegengenommen – vor zehn Jahren waren es noch 40 Prozent.
Niederschwellig und bürgernah
Rund jeder zweite Kontakt betraf die Bereiche Sozialrecht und Behindertenanliegen. Bau- und Raumordnung machte elf Prozent der betreuten Fälle aus. Ein Großteil der Inanspruchnahmen erfolgte nach wie vor telefonisch (3.206), gefolgt von persönlichen Kontakten (1.524) und schriftlichen Eingaben (1.109). „Wir wollen möglichst unkompliziert erreichbar sein – jede und jeder kann so die Kontaktform wählen, die am geeignetsten erscheint. Unser Service ist in jedem Fall kostenlos und dank unserer Gemeinde- und Bezirkssprechtage auch landesweit verfügbar“, erläutert Maria Luise Berger.
Fokus Teilhabe
Das Tiroler Teilhabegesetz sieht vor, dass Barrieren im alltäglichen Leben weitestgehend beseitigt werden sollen. Bauliche Hindernisse können in vielen Fällen bereits im Planungsstadium durch Hinzuziehen von Experten aufgezeigt und damit verhindert werden. Seitens des Gesetzgebers könnten entsprechende Richtlinien dahingehend angepasst werden. Weitere Barrieren finden etwa Menschen mit Behinderung in puncto Teilhabe an der Arbeitswelt vor. Oftmals herrschen Unwissenheit bzw. auch Vorbehalte seitens der Arbeitgeber, was es für sie bedeutet, Arbeitnehmer mit einer Behinderung zu beschäftigen. Hier wäre eine verstärkte Aufklärungsarbeit nötig. In vielen Fällen bieten nur Werkstätten eine Möglichkeit zur Betätigung. Die Landesvolksanwältin spricht sich in diesem Zusammenhang für neue Modelle der Entlohnung anstelle des gebräuchlichen Taschengelds aus. Auch brauche es eigene, auf die Tätigkeit bezogene, sozialversicherungsrechtliche Absicherungen für die Beschäftigten.
„Only Online“
Auch der Trend hin zu „Only Online“ – sprich, dass manche Behördengänge nur noch elektronisch erfolgen können – wird im Bericht thematisiert. „Niemand darf von den Dienstleistungen der Verwaltung ausgeschlossen werden, nur weil er oder sie sich keine entsprechenden elektronischen Geräte leisten kann bzw. nicht weiß, wie diese zu bedienen sind – gerade ältere Generationen, die nicht mit PC oder Smartphone aufgewachsen sind, aber auch Menschen mit Lernschwierigkeiten werden durch ‚Only Online‘ benachteiligt“, betont die Landesvolksanwältin und regt an, dass für alle Anträge neben der elektronischen Form auch die persönliche Antragsstellung bzw. die in Papierform möglich sein muss.
Fokus Mindestsicherung
Die gesetzliche Kompetenzverteilung beim sogenannten „Armenwesen“ sieht vor, dass die Grundsatzgesetzgebung Bundessache ist, die Ausführung jedoch den Ländern obliegt. Bei dem im Mai 2019 kundgemachten, neuen österreichischen „Sozialhilfe-Grundsatzgesetz“ ortet die Landesvolksanwältin im Vergleich zu den vorher gültigen Bestimmungen in nicht wenigen Bereichen eine Schlechterstellung für Betroffene – etwa beim Lebens- und Wohnbedarf von Menschen in Not oder auf der Flucht, von kinderreichen Familien oder von Menschen mit Behinderung. Da sich die bisher in Tirol angewandten gesetzlichen Bestimmungen als sozial treffsicher herausgestellt haben, appelliert die Landesvolksanwältin, das Tiroler Mindestsicherungsgesetz bei der Adaptierung an das neue Bundesgesetz soweit als möglich unverändert zu lassen und so zu formulieren, dass es nach wie vor eine bedarfsorientierte und zeitgemäße Grundlage zur Armutsbekämpfung bietet.
Über die Landesvolksanwaltschaft Tirol
Die Landesvolksanwaltschaft wurde im Jahr 1989 vom Tiroler Landtag als Beratungs- und Beschwerdestelle geschaffen, die den Bürgern ergänzend zum bestehenden Rechtschutzsystem möglichst einfach und unbürokratisch beistehen soll. Als Organ des Tiroler Landtages agiert die Landesvolksanwältin von der Landesregierung unabhängig und weisungsfrei. Konkret kontrolliert sie die Verwaltungstätigkeit der Gemeinden, der Bezirkshauptmannschaften, des Stadtmagistrates Innsbruck und des Amtes der Tiroler Landesregierung.
Die seit 1. April 2016 amtierende Landesvolksanwältin Maria Luise Berger wurde vom Tiroler Landtag auf die Dauer von sechs Jahren gewählt. Seit Juli 2018 kümmert sich der Behindertenanwalt Kristof Widhalm im Team der Landesvolksanwältin um die Behindertenanliegen. Schwerpunkt seiner Arbeit ist vor allem die rechtliche Beratung von Menschen mit körperlicher, psychischer und altersbedingter Behinderung sowie deren Angehörigen.
Ihren Sitz hat die Landesvolksanwältin im Haus der Anwaltschaften in der Innsbrucker Meraner Straße 5, es werden jedoch regelmäßig Sprechtage in allen Tiroler Bezirken angeboten.
Unter www.tirol.gv.at/landtag/landesvolksanwaltschaft/ kann der Jahresbericht 2019 online eingesehen werden.
Bild: LTPin Sonja Ledl-Rossmann und LVAin Maria Luise Berger (li.) präsentierten den 2019er-Jahresbericht der Tiroler Landesvolksanwaltschaft.
Foto: Landtagsdirektion Tirol/Zimmermann