Schauplatz Gemeinschaftskraftwerk Inn bei Nauders / Martina (Schweiz): Dort fand heute, Donnerstag, der Auftakt einer erstmaligen Zusammenkunft statt. Auf Einladung von LH Anton Mattle kam Tirols Landesregierung mit der Regierung des Kantons Graubünden (Schweiz) unter Regierungspräsident Jon Domenic Parolini zusammen. Der geschichtsträchtige Standort wurde bewusst gewählt: „Im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet entstand vor vielen Jahren dieses größte Laufwasserkraftwerk im Alpenraum. Heute produziert es jährlich über 400 Gigawattstunden Strom aus heimischer Wasserkraft – ein Gemeinschaftsprojekt der TIWAG und der Engadiner Kraftwerke. Und so steht es symbolhaft für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, deren Bedeutung wir mit diesem Treffpunkt heute nochmals Ausdruck verleihen“, betont LH Mattle. Dass das Kraftwerk nach wie vor Vorzeigebeispiel für eine erfolgreiche regionale Kooperation darstellt, davon waren alle Beteiligten heute überzeugt. So war es auch das Thema Energie und Wasserkraft, das im Zentrum einer anschließenden Arbeitssitzung in Pfunds mit allen anwesenden Regierungsmitgliedern stand. „Für eine gelingende Energiewende und einem Mehr an erneuerbarer Energie und Energiesicherheit braucht es nicht nur die Anstrengung vieler, sondern vor allem auch den Austausch rund um selbige Herausforderungen, welchen wir im Alpenraum gegenüberstehen“, ist LH Mattle überzeugt. Dazu zähle auch das Wolfsmanagement, die grenzüberschreitende Sicherheit und Zusammenarbeit sowie der nachhaltige Tourismus.
„Die Zusammenarbeit mit Graubünden findet zwar seit vielen Jahren im Rahmen der ARGE ALP statt – ein Treffen wie heute gab es bislang noch nicht. Umso wichtiger war und ist es mir, dass wir uns eng mit unseren Nachbaren in der Schweiz austauschen und gegenseitig voneinander lernen und profitieren“, so LH Mattle. Auch Graubündens Regierungspräsident Jon Domenic Parolini begrüßte das heutige Treffen: „Es ist das erste Mal, dass die Bündner Regierung hier gesamthaft auftritt. Es ist wichtig, dass wir die Zusammenarbeit zwischen zwei Grenzregionen im alpinen Raum, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, pflegen. Es ist gut, dass wir in verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten, wo dies möglich und sinnvoll sowie gewinnbringend für beide Seiten ist.“
Energiewende und Energiesicherheit als zentralee Themena für den Alpenraum
Das Gemeinschaftskraftwerk Inn galt als Meilenstein auf dem Weg zur Erreichung der Ziele der europäischen und regionalen Energiestrategien. „Die Energiewende macht nicht an geografischen Grenzen Halt. Die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen sind ein zentrales Thema für Tirol und den gesamten Alpenraum. Denn gerade in den Alpen sind die Auswirkungen des Klimawandels deutlich spürbar. Wichtig ist es, dass wir auch grenzüberschreitende Potenziale nutzen und uns keine Grenzen im Denken auferlegen – wie das Vorbildprojekt Gemeinschaftskraftwerk Inn zeigt“, betont LH Mattle. „In Graubünden wird rund ein Fünftel des Stroms aus Wasserkraft der Schweiz produziert. Mit der kantonalen Wasserkraftstrategie verfolgen wir das Ziel, die mit der Bündner Stromproduktion aus der Wasserkraft verbundene Wertschöpfung im Kanton Graubünden zu erhöhen und damit nachhaltige Erträge zu erzielen. Die erneuerbaren Energiequellen, insbesondere die Wasserkraft, bieten ein großes Potenzial, das wir auch in Graubünden weiter ausschöpfen wollen“, so Graubündens Regierungspräsident Jon Domenic Parolini.
So wurde das Thema der grenzüberschreitenden Energieversorgung – vor allem auch hinsichtlich von Engpässen – letztens auch auf die Agenda der ARGE ALP gesetzt. Unter Federführung des Kantons St. Gallen in der Schweiz wird aktuell eine Studie durchgeführt, die sich mit Hürden und Voraussetzungen für eine verstärkte grenzüberschreitende Energieversorgung beschäftigt. Ziel ist es, dass ein Vergleich der Energiekonzepte und -strategien der Grenzregionen ermöglicht wird, um vertiefende Kooperationsmöglichkeit auch bei einer möglichen Energiemangellage aufzuzeigen. „Wir forcieren eine verbesserte grenzüberschreitende Koordination der Energiekonzepte, den Abbau regulatorischer Hürden und konkrete Forderungen, die unter dem Mantel der ARGE ALP an die Nationalstaaten und die Europäische Union für ein Mehr an Energiesicherheit durch grenzüberschreitende Harmonisierungen gerichtet werden sollen“, so LH Mattle.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei grenznahen Notfällen
Tirols Landeshauptmann, selbst erfahrener Bergretter, ist vor allem auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit wichtig. „Alpen und Täler erstrecken sich über geografischen Landesgrenzen hinweg. Im Notfall zählt jede Sekunde, weshalb es umso wichtiger ist, praxisorientierte anstatt bürokratisch komplizierte Zusammenarbeit zu forcieren – im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sowie aller unserer Gäste“, ist LH Mattle überzeugt. Tirol verfolge bereits sehr erfolgreiche Reglungen – beispielsweise in grenznahen Regionen wie Sillian im Bezirk Lienz, wo die Einsatzkräfte aus dem benachbarten Südtirol im Einsatzfall die Versorgung übernehmen können. „Wir wollen uns die derzeitigen Regelungen genauer ansehen, um mögliche Hürden zur Rettung von Menschenleben im grenznahen Bereich zu beseitigen“, kündigt LH Mattle an.
Wölfe kennen keine geografischen Grenzen – proaktive Wolfsregulation
Der Sicherheit in anderem Sinne galt der Fokus rund um das Wolfsmanagement. Derzeit gibt es innerhalb der ARGE ALP die meisten Wolfsrudel in der Provinz Trient, gefolgt von der Lombardei und Graubünden. Umso mehr lag das Interesse Tirols auf dem dortigen Wolfsmanagement und -monitoring. Der Kanton setzt seit Ende des letzten Jahres auf eine proaktive Wolfsregulation, wofür das eidgenössische Jagdgesetz novelliert wurde – die Schweiz betrat damit Neuland. Dabei wird der Abschuss einer definierten Zahl von Wölfen (aus gewissen Wolfsrudeln) innerhalb eines bestimmten Zeitraums durch das dortige Bundesamt für Umwelt bewilligt. „Der letzte ARGE ALP-Bericht zeigte eine explosionsartige Entwicklung beim Wolf: 61 Wolfsrudel wurden in allen zehn Ländern gezählt. Wölfe kennen keine geografischen Grenzen, weshalb wir von der Erfahrung Graubündens rund um das Wolfsmanagement profitieren wollen. Im Rahmen der Landeshauptleute-Konferenz haben die österreichischen Bundesländer ihre Forderung nach einer Senkung des europäischen Schutzstatus erneuert. Der Druck und die Argumente aus Tirol zeigen also Wirkung. Wir werden weiterhin alles daransetzen, die traditionelle Almwirtschaft und unseren Lebensraum zu sichern“, betont LH Mattle auch angesichts der bevorstehenden Almsaison 2024. „Für uns sind die Erfahrungen aus Graubünden von großem Interesse. Ich bin überzeugt davon, dass die Länder im Alpenraum davon profitieren können, um den Umgang mit dem Wolf zu bewerkstelligen. Mit der Novelle des Jagdgesetzes haben wir in Tirol schon eine wichtige Grundlage geschaffen“, sagt LH Mattle. „Die neue Möglichkeit der Wolfsregulation ist ein wichtiger Pfeiler nebst dem Herdenschutz, um eine tragfähige Koexistenz von Mensch, Nutztier und Wolf zu erreichen“, erklärt Graubündens Regierungspräsident.
Graubünden begrüßt außerdem wie Tirol den von der ARGE ALP initiierten Aufbau einer gemeinsamen länderübergreifenden Datenbank zum Wolfsmonitoring: Für die Harmonisierung der genetischen Daten besteht im Rahmen von vier beteiligten nationalen Labors bereits weitgehend Konsens. In einem nächsten Schritt sollen die genetischen Daten auf einer Datenbank abgebildet werden, sodass ein transparenter Überblick über Vorkommen geschaffen wird.
Nachhaltiger Tourismus als sicherer Zukunftsgarant
„Sicher nachhaltig“ lautet auch das Credo in Sachen Tourismus. Tirol und Graubünden verbindet beiderseits eine langjährige touristische Vergangenheit – wenn auch in unterschiedlicher Form. „Die Charakteristik der Graubündner Tourismuslandschaft unterscheidet sich doch von jener in Tirol – beispielsweise hinsichtlich der Beherbergungsstruktur und Zahl der Gästebetten im Vergleich zur EinwohnerInnenzahl. Der Erfolg gibt dennoch beiden Ländern recht und so begrüße ich auch hier einen weiterhin regen Austausch, um neue Ideen und Möglichkeiten mitaufzunehmen und Positives auch für unser Land Tirol mitzunehmen – beispielsweise in Sachen Nachhaltigkeit“, sagt LH Mattle.
Bild: Land Tirol/Die Fotografen