Was tun, wenn man in einen Verkehrsunfall verwickelt wird? Erste Schritte, Streit am Unfallort, Versicherung und Schadensabwicklung – die Rechtsberatung des Mobilitätsclubs klärt auf.
Früher oder später sind die meisten Verkehrsteilnehmer:innen einmal davon betroffen: Man wird in einen Verkehrsunfall verwickelt oder ist unter Umständen sogar selbst Verursacher:in. Die Situation ist häufig überfordernd – von den ersten Schritten direkt am Unfallort bis hin zur Schadensabwicklung mit der Versicherung. Die ÖAMTC-Rechtsberatung erklärt, was im Ernstfall zu tun ist, und gibt wichtige Tipps und Hinweise.
Was muss ich direkt nach einem Unfall beachten, welche Schritte sind einzuleiten?
Anhalten, Ruhe bewahren, vor dem Aussteigen die Warnweste anlegen: „Beim Verlassen des Fahrzeugs auf Autobahnen oder Schnellstraßen ist man verpflichtet, eine Warnweste zu tragen. Um auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen, ist die Warnblinkanlage einzuschalten und das Pannendreieck aufzustellen, um nachfolgende Verkehrsteilnehmer:innen rechtzeitig auf den Unfallort aufmerksam zu machen. Dies gilt insbesondere etwa für eine Unfallstelle nach einer Kurve oder bei Dunkelheit“, erläutert Nikolaus Authried, Leiter der ÖAMTC-Rechtsberatung für Wien, Niederösterreich und das Burgenland. „Das Pannendreieck muss unbedingt so platziert werden, dass nachkommende Lenker:innen ab dem Erkennen des Warndreiecks ausreichend Zeit und Platz haben, um auszuweichen bzw. anzuhalten“, so der Jurist des Mobilitätsclubs. Sofern bei dem Unfall eine Person verletzt wurde, muss man umgehend Erste Hilfe leisten sowie Rettung und Polizei verständigen (Notrufnummern 144 bzw. 133). Sind bei dem Unfall lediglich Fahrzeuge oder andere Sachen beschädigt wurden, ist die Polizei nur dann zu rufen, wenn die Unfallbeteiligten bzw. jene, die in ihrem Vermögen geschädigt wurden, einander Name und Anschrift nicht nachweisen können. „Ansonsten gilt in weiterer Folge: Unfallbericht ausfüllen, Beweise sichern und etwaige Zeug:innen notieren“, so der ÖAMTC-Jurist. Wichtig: Auch Wildunfälle sind umgehend bei der Polizei zu melden.
Was tun, wenn es am Unfallort zu Streit zwischen den Beteiligten kommt?
Es kommt nicht selten vor, dass die Unfallbeteiligten betreffend Verschulden und Unfallhergang unterschiedlicher Meinung sind. Der Unfallort ist aber nicht der passende Platz, um Unstimmigkeiten zu klären. „Auch die Polizei ist dafür im Übrigen nicht zuständig, sondern allenfalls für die Aufnahme des Unfalls“, hält Nikolaus Authried fest. „Ist bei dem Unfall keine Person verletzt worden, sondern lediglich Sachschaden entstanden, und die Exekutive wird dennoch gerufen – obwohl ein Datenaustausch möglich gewesen wäre – muss man 36 Euro ‚Blaulichtsteuer‘ bezahlen“, so der ÖAMTC-Jurist. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, man könne die Polizei rufen, um bei Streitigkeiten am Unfallort die Verschuldensfrage rasch zu klären, ist klar zu sagen: „Das ist nicht Aufgabe der Polizei. Allfällige Aussagen von Polizist:innen zum Verschulden im Kontext eines Verkehrsunfalls können Hinweise darstellen, müssen es aber nicht. Das zu beurteilen, obliegt ausschließlich den Gerichten“, legt der Rechtsexperte dar. Wichtig: Der Unfallbericht bzw. dessen Unterfertigung durch die Unfallgegner:innen ist kein Schuldeingeständnis. Herrscht anhaltend Uneinigkeit über das Verschulden bzw. den Sachverhalt, ist der letzte Ausweg der Gang zu Gericht.
Ab wann begeht jemand „Fahrerflucht“ und welche Konsequenzen hat dieses Verhalten?
Das Gesetz verpflichtet alle Personen, deren Verhalten einen Unfall (mit-)verursacht hat, sofort anzuhalten sowie nötigenfalls die Unfallstelle abzusichern bzw. Erste Hilfe zu leisten und an der Aufklärung des Vorfalls mitzuwirken. Auf ein allfälliges Verschulden kommt es dabei nicht an – es genügt, wenn man zum Unfallhergang beigetragen hat. „Besteht die Notwendigkeit, die Polizei zu verständigen, muss das so rasch wie möglich erfolgen. Bereits das Verstreichen einer halben Stunde kann zu lange sein – die Rechtsprechung ist diesbezüglich sehr streng“, warnt der ÖAMTC-Rechtsberater. Wer also nach einem Unfall nicht sofort anhält, nicht an der Feststellung des Sachverhalts mitwirkt oder den Identitätsnachweis verweigert bzw. nötigenfalls Polizei und Rettung nicht verständigt, begeht „Fahrerflucht“. „Vernachlässigt man diese Pflichten, drohen für jedes einzelne der drei genannten Delikte entsprechende Verwaltungsstrafen, die insgesamt einige Hundert Euro betragen können. Noch gravierender ist es, wenn eine verletzte Person im Stich gelassen wird – hier greift das Strafrecht, die Staatsanwaltschaft kann Anklage erheben und der schuldhaft handelnden Person droht sogar eine Freiheitsstrafe“, erläutert Nikolaus Authried. Wichtig: Auch bloße Zeug:innen und Personen, die den Unfall erst nachträglich wahrnehmen, trifft die Pflicht, im Fall der Fälle Hilfe zu leisten!
Achtung, ebenso bei Parkschäden gilt: Identität nachweisen oder, falls der:die geschädigte Fahrzeugbesitzer:in nicht auffindbar ist, umgehend die nächstgelegene Polizeidienststelle aufsuchen und den Unfall melden. „Der berühmte Zettel auf der Windschutzscheibe wird immer wieder hinterlassen, dieser allein genügt aber nicht – auch das ist Fahrerflucht“, appelliert der Verkehrsrechtsexperte. Um der geschädigten Person die Kontaktaufnahme zu erleichtern, kann ein solcher Zettel – zusätzlich zur verpflichtenden Meldung bei der Polizei – aber natürlich hinterlassen werden.
Welche Versicherung kommt für die Unfallschäden auf?
Grundsätzlich leistet die Kfz-Haftpflichtversicherung jenes Lenkers bzw. jener Lenkerin, der oder die den Unfall verschuldet hat. Ist die Versicherung ersatzpflichtig, kommt sie sowohl für Sach- als auch für Personenschäden auf. „Besonders wichtig ist es, einen selbst verursachten Unfall längstens binnen einer Woche an die eigene Versicherung zu melden – sonst kann es unter Umständen zu Problemen kommen“, so der ÖAMTC-Rechtsberater. Als Geschädigter bekommt man im Idealfall sämtliche Schäden von der gegnerischen Haftpflichtversicherung ersetzt. Gibt es bei einem Schadensereignis zwei oder mehrere Personen, die schuldhaft zum Unfall beigetragen haben, haften alle anteilig – gemäß dem Ausmaß des eigenen Mitverschuldens: Wird etwa bei zwei Unfallbeteiligten einer Person ein Drittel Mitverschulden angelastet und der anderen zwei Drittel, bekommt letztere auch nur ein Drittel des Schadens am eigenen Fahrzeug ersetzt. Der ersten Person (mit geringerem Verschulden) werden zwei Drittel des eigenen Schadens vom Gegner ersetzt.
Achtung: Die Haftpflichtversicherung kommt grundsätzlich nur für Schäden auf, die man anderen verursacht hat. „Für Schäden am eigenen Kfz, die bei einem selbst verschuldeten Unfall entstanden sind, kommt die Haftpflichtversicherung nicht auf – hierfür ist eine aufrechte Kaskoversicherung erforderlich“, stellt Nikolaus Authried klar. Das gilt im Übrigen auch für sogenannte „Eigenschäden“ – klassisches Beispiel: Beim Einparken in der eigenen Garage fährt der:die Kfz-Eigentümer:in am eigenen Garagentor an und beschädigt dieses.
Was müssen Geschädigte bei der Schadensabwicklung beachten?
„Als Geschädigte:r muss man die eigenen Ansprüche bei der gegnerischen Versicherung geltend machen“, erklärt Nikolaus Authried. Die Jurist:innen der ÖAMTC-Rechtsberatung unterstützen Mitglieder dabei gerne. Es gilt, die entstandenen Schäden nachzuweisen, zum Beispiel durch Rechnungen oder Befunde. „Generell ist darauf zu achten, Ansprüche innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren geltend zu machen“, betont der ÖAMTC-Rechtsberater. „Will die gegnerische Versicherung nicht zahlen, ist der letzte Ausweg nämlich die Geltendmachung per gerichtlicher Klage“, so Nikolaus Authried abschließend.
Die Jurist:innen der ÖAMTC-Rechtsberatung stehen Club-Mitgliedern mit Rat und Hilfe zur Seite – kompetent und kostenlos. Ein Kontaktformular sowie eine Übersicht zur Erreichbarkeit findet man unter www.oeamtc.at/rechtsberatung. Bei Notfällen, die einer sofortigen Unterstützung bedürfen, sind die ÖAMTC-Jurist:innen auch in der Nacht oder an Feiertagen unter der Nummer des Schutzbrief-Notrufs +43 (0)1 25 120 00 erreichbar.
Titelbild: Unfallsituationen sind häufig überfordernd für alle Beteiligten.
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