Florian Fellier und Felix Brunhuber – ehemals Wild Culture – brechen künstlerisch neu auf
Wild sind sie natürlich noch immer, ebenso ziemlich kultiviert und erfolgreich obendrein. Ihr aus der Club-Szene hervorgegangenes, produzierendes Songwriter-Duo Wild Culture lassen Florian Fellier aus Imst und der Vorarlberger Felix Brunhuber nun aber dennoch Geschichte sein. Um ein neues Kapitel aufzuschlagen: Mit Future Pop, als Paradise LTD, völlig losgelöst von Major Labels und bereits im steilen Senkrechtflug begriffen. Nach Veröffentlichung der mittlerweile fünften Single „Body Talk“ haben sich die beiden Klang-Raumfahrer und Betreiber ihrer eigenen Wilderness Studios in Nassereith ein wenig ins audiovisuelle Gesamtkonzept schauen lassen.
Von Manuel Matt
Der eine bleibt beim Schnitzel, der andere bestellt sich die Blutwurst: Vielleicht ein Erfolgsrezept, um am Boden zu bleiben. Denn angesichts ihres weltweiten Erfolgs als Musikschaffende, als Wild Culture mit Abermillionen Streams und fruchtender Zusammenarbeit mit internationalen Größen des Musikgeschäfts hätten Florian Fellier und Felix Brunhuber, die da jüngst für ein Mittagessen in den Gasthof Arzkasten bei Obsteig geladen haben, eben schon durchaus abheben können. In positiver Weise haben der Imster und der Vorarlberger nun aber genau das vor: Als frischgegründetes Zwei-Mann-Spacekollektiv Paradise LTD, das musikalisch buchstäblich nach den Sternen greifen will, nach ihrer Trennung von der Großplattenfirma-Weltraumkrake. Ein (gar nicht so) kleiner Schritt für zwei, die in der Club-Szene großgeworden sind, aber jedenfalls ein gewaltiger Sprung für den Weltraumhafen Nassereith.
Fremde Welten aus heimischer Produktion.
Dort nämlich stehen die von Flo und Felix 2020 eröffneten Wilderness Studios, wo sich nicht nur internationale Künstlerinnen und Künstler – wie dieser Tage ein Schwergewicht aus der Hip-Hip-Welt samt Entourage, dessen Name vornehm verschwiegen wird – eine Pause von der Großstadt gönnen, um in Alpenidylle kreativ zu sein, ohne auf State-Of-The-Art-Technik verzichten zu müssen. Nein, nein: Auch die beiden Inhaber frönen dort, in der alten Kastner-Fabrik, ihrem eigenen Schaffen. Nun, wo Wild Culture sich eine Pause gönnt, eben auf der Suche nach dem Paradies, wo Flo und Felix alle Rechte bei sich behalten. „Eigenes Label, eigene Designs“, sagt Flo: „All made in Nassereith!“, vom ersten Ton bis zum fertigen Master, von der ersten Skizze bis zum fertigen Gesamtkonzept. Eine Geschichte übrigens, die der aus Telfs stammende Filmemacher Markus Rosentreter in Episoden dokumentiert hat: www.paradise.limited/about
Smoother als Raumpatrouille Orion: Paradise LTD, bestehend aus Florian Fellier (l.) und Felix Brunhuber (r.)
Foto: Wilderness Studios
„Wir wollen kein Dreinreden mehr, sondern künstlerische Freiheit“, führt er fort, den da „anfangs schon Zweifel“ geplagt hätten vor der Trennung von Sony BMG. „Ein radikaler Schritt“, nickt Felix, „war aber nötig. Wir sind als Freunde auseinandergegangen, mit einem schönen Ende für beide Seite.“ Handkuss hätt’s keinen gegeben. Dafür aber nun liebevoll geschaffene Sound-Bibliotheken in ganz eigener Hand, die den Paradise LTD-Sound unverwechselbar machen sollen. Fünf Beispiele dafür gibt’s bereits. Der dritte Wurf, „Holding me up“, war bisher am erfolgreichsten, hielt sich wacker in den Top 30 der heimischen Airplay-Charts und als gern gewünschter Favorit über 13 Wochen in den ö3-Hörercharts. Toppen soll das nun No. 5, getauft „Body Talk“.
„Ein kleiner Sci-Fi-Film.“
„Poppig, aber nicht flach“, umschreibt das Duo hinsichtlich „Body Talk“ eine Gratwanderung, die zwangsläufig nicht leicht ist. Aber gelungen als „Future Pop“ – und der Adler landet mit knackigen Bass-Lines, funkigen Gitarren-Riffs und harten Drums, aber auch sanften, altbewährt-authentischen Synthie-Schwingen und ohrschmeichelnden Gesangsmelodien, hinter denen wiederum Brunhuber höchstpersönlich steht, gemeinsam mit Sängerin Maryon aus London. Ein ziemliches Kunststück, das da Paradise LTD abgeliefert, schon Eingang in die bedeutenden Playlisten der großen Streaming-Anbieter, in die deutschen Charts und die österreichen Radio-Rotationen gefunden hat. Kein kleines Ding bei den tausenden, hunderttausenden Songs, die alltäglich, allwöchentlich veröffentlicht werden und darum rittern, Teil der tatsächlich gehörten Handvoll zu werden. Geklappt hätte das wohl auch in den 80ern – und ebendieser Flair sei kein Zufall, sondern Teil des audiovisuellen Gesamtkonzepts. Auf der Suche nach Eden Prime, in Science-Fiction-Manier. So, wie auch das dazugehörige Musikvideo daherkommt, das wiederum durchaus besonders ist. In Kooperation mit der renommierten Filmproduktionsfirma „Das Rund“ ist da nämlich wirklich „ein kleiner Sci-Fi-Film“ entstanden, wie’s die beiden Paradiesvögel beschreiben: Gedreht „in inspirierender Zusammenarbeit und mit voller Frauenpower am Set mit R&-Regisseurin und Creative Producer Tessa Kadletz sowie Kamerafrau Flora Fecske“ in einer „coolen, alten Location“ in Wien, in die wohl nicht jeder so einfach Eingang finden würde – in die alte, 1933 ans Netz gegangene und vor einigen Jahren schon gänzlich aufgelassene ORF-Sendestation Bisamberg. Der Flair, die Kulisse passt zur erzählten Geschichte, die sich dreht um „verheimlichte Affären, täuschender Liebe und die Einsicht, dass man ohne diese Probleme und die damit verknüpfte Person deutlich besser dran wäre. Aber dann ist da immer doch diese intensive, animalische Anziehungskraft der Körper. Körper, die ihre ganz eigene Sprache sprechen.“
Hinter den Kulissen: Beim Videodreh zu „Body Talk“ in der alten ORF-Sendezentrale am Bisamberg zwischen Wien und Niederösterreich.
Foto: Fabian Held
Album mit Konzept.
Alles endet im letzten Tanz, im letzten, kraftvollen, gesanglichen Aufeinandertreffen, ehe die Protagonisten der Geschichte wieder auseinandergehen. Bei Flo und Felix, die bereits seit zwölf Jahren gemeinsam Musik machen und ganze 45 Songs innerhalb von drei Corona-Monaten geschrieben, ist das freilich anders. Da wird noch viel zu hören sein. Zum Durchhören, sogar, denn durch ihr Albumdebüt als Paradise LTD soll sich wie in guten, alten Tagen ein erzählendes Konzept ranken. Ebenso wie’s auch „beinhart auf Vinyl“ erscheinen werde, wie Flo schmunzelnd verrät. Erscheinen soll „Blood, Sweat & Tears“ voraussichtlich im kommenden Frühjahr.
Gebeten in Obsteig zu einem Schnappschuss mit „Sound Of Music“-Kulisse, die mitunter auch den besonderen Reiz ihres Tonstudios in Nassereith ausmacht: Felix Brunhuber (l.) und Florian Fellier (r.) , gemeinsam nun Paradise LTD.
OD-Foto: Matt
Bis dahin wird wohl noch viel gearbeitet, viel getüftelt werden. In den Nassereither Wilderness Studios, selbstredend, wo sich diesen Dienstag schon wieder die Klinke in die Hand gegeben wird, vor lauter Anfragen nach Aufnahme-Sessions, Songwriter-Camps und Event-Möglichkeiten in einzigartigem Ambiente. „Tirol, das Oberland könnte noch viel mehr zum Musik-Mekka werden“, glaubt Flo, der schon jetzt auf viel regionalen Mehrwert verweisen kann: Vom Lebensmittel-Einkauf bei örtlichen Bauern, zu Alpin-Coaster-Ausflügen mit den Musikschaffenden hin zu im Ganzen, restlos gebuchten Unterkünften, wie’s momentan in Obtarrenz der Fall sei. Das alles könne sich noch weiterentwickeln, sind sich Florian Fellier und Felix Brunhuber sichern: Wenn die Umstände passen, mit guter Planung und Zeit. So, wie es auch die Raumfahrt braucht, die Reise zu den Sternen, zum Paradies, das da Paradise LTD heißt – und wo es sie hoffentlich auch gibt, das Schnitzel und die Blutwurst.
Titelbild: Ein Blick ins Musikvideo zu „Body Talk“, der fünften Single von Paradise LTD, dem neuen Kreativprojekt der Köpfe hinter den Wilderness Studios in der alten Kastner-Fabrik in Nassereith.
Foto: Fabian Held